Ostdeutsche sind auch Migranten – schön wäre es, da u. U. wenigstens ein Teil des ostdeutschen Ichs erhalten bliebe, aber leider wird man nicht zu einem Migranten, wenn man ähnliche Erfahrungen – lt. Fouraton, deren Interview in der TAZ hohe Welle schlägt, können dies Heimatverluste, vergangene Sehnsuchtsorte, Fremdheitsgefühle u. Abwertungserfahrungen sein – wie ein echter Neuankömmling gemacht hat. Dass selbst Jana Hensel, die über sich, wenn ich es richtig in Erinnerung habe, gesagt hat, während der Wende strengstens darauf geachtet zu haben, alles zu vermeiden, was darauf hinweisen könnte, dass sie aus der DDR komme, sich diese These anschließt, macht sie nicht unbedingt richtiger. Ostdeutsche können keine Migranten sein, weil sie ihre Identität, wenn es die denn je gegeben hat, nicht bewahren können. Darum ist es deren Schicksal, mit Hauch und Haaren assimiliert zu werden. Und sie können sich nicht einmal dagegen wehren. Wie auch? Sie hätten lange vor der Wiedervereinigung eine Sprache sprechen müssen. Wer also traurig über seine Assimilation ist, muss die Schuld bei Stalin suchen, der als Sieger nicht hart genug gegen die Deutschen vorgegangen ist. Schließlich hätte er veranlassen können, dass in seiner Zone nur noch Russisch gesprochen werden darf. Wen wundert es da, dass die Sachsen ihr Sächsisch so intensiv wie nie zuvor pflegen – ihr seltsames Kauderwelsch, dem Fremde nur schwer folgen können, sorgt für Geborgenheit und Identität. Heimat ist für sie dort, wo sie jemanden haben, mit dem sie sächseln können. In diesem Sinne kommen die Sachse, die es in der Fremde schwer haben, akzeptiert zu werden (und das schon immer), den Migranten am nächsten. Andererseits ist aber nicht bekannt, dass in Sachsen Leute, die diesen Dialekt nicht beherrschen, ausgegrenzt werden würden – nahezu vorbildlich behandeln sie jene Deutsche, die mit ihrer Sprache nichts anzufangen wissen. Migranten, die zugegebenermaßen fast alle materiell schlechter als die Ossis starteten, haben die Chance, ihre Sprache und damit ihre Kultur zu bewahren. Und meist sind jene, die in der Diaspora leben, noch traditionsbewusster als die, die zurückgebliebenen sind (angeblich soll man in Istanbul kaum Frauen finden, die ein Kopftuch tragen). Richtige Migranten können sich jederzeit einem Kultur-Upgrade unterziehen. Dafür reicht ein Klick im Internet. Der Ossis muss schon lange suchen, bis er auf etwas aus der Zeit, in der er einmal gelebt hat, stößt. Vermutlich muss er sich dafür noch mit Seinesgleichen treffen. Und noch einen Vorteil haben die Migranten – sie tun sich mit der Sprache, die die Mehrheit spricht, wesentlich einfacher als die (wahren) Ossis, die bspw. Wörter wie „Flieger“, „befeuern“ oder „Starkregen“, mein Lieblingswort, einfach nicht aussprechen können.