Wenn schon zurück in die Zukunft, dann richtig, also nicht nur 3 oder 4 Jahrzehnte, sondern gleich 3 Jahrhunderte, als es an den Höfen Europas üblich war, ein Hoforchester zu unterhalten, das unter der Führung eines angesehenen Hofkapellmeister nur für den Herrscher bzw. dessen Hofstaat musizierte. Im Feudalismus waren Exklusivkonzerte nichts Außergewöhnliches, heute jedoch wird jeder Musikkneipengig einer Megaband, die normalerweise nur in großen Hallen oder gar Stadien aufzutreten pflegt, zum globalen Medienereignis, nichtsdestoweniger können die Glücklichen, die dabei gewesen sind, behaupten, es sei ihnen wie den Königen und Fürsten ergangen – nur sie haben die Band gehört. Sie hatten die Stars für sich alleine. Meistens ist die Kapelle bestrebt, den Eindruck zu vermitteln, vor so kleiner Kulissen zu spielen sei eine spontane Entscheidung gewesen. Absolute Ausnahmen sind jene Super-Gruppen, die ganz bewusst in kleinen Hallen spielen, so wie jetzt Kraftwerk, das 8 Konzerte (gestern ging es los, am 14. ist Schluss) in der „Tate Modern“ vor jeweils 700 Fans geben wird. Die Kritiker sind begeistert – Alexis Petridis vergab die höchster Sternzahl (5), Paul Morley, der früher ebenfalls für den Guardian geschrieben hat, schloss sich dieser Einschätzung an. Als Fan, der selbst ein Konzert von ihnen live erlebt hat (Haus Auensee 90 oder 91), teile ich deren Einschätzung, jedoch verstehe ich nicht, wieso sie keine Kritik am Prozedere geübt haben – die Konzerte waren im Nu ausgebucht (der Guardian bietet noch Tickets an), zudem muss man ganz schön viel für eine Karten löhnen –, denn schließlich leben wir im einen Zeitalter, in dem man Konzerte per Livestream verfolgen kann. Dass ausgerechnet die „Tate“, für die man, soweit ich weiß, keinen Eintritt zu zahlen braucht, die Galerie ist auch staatlich, einem Deal zustimmt, der die breite Öffentlichkeit außen vor lässt, kann ich nicht so recht begreifen. Das widerspricht deren Gebaren, jedem Zugang zu den Ausstellungen zu gewähren. Zu allem Überfluss hätte das Museum noch jede Menge Geld verdienen können. So aber bleibt der Eindruck, es würde sich um elitäre Veranstaltungen handeln. Das kann nicht im Interesse von Kraftwerk sein. Schade. Ralf Hütter, Kopf der Elektronik-Kapelle, hat eine Chance verpasst. Was nutzen die tollen Kritiken, wenn nur wenige bei den raren Konzerten – nur Carlos Kleiber war noch wählerischer bei der Wahl seiner Auftritte – dabei sein können.
Noch eine Nachricht, die für alle, nicht in Halle leben, keine ist – Halles neuer Oberbürgermeister hat einen neuen Dienstwagen, und zwar einen roten, was ihn beim nächsten Bombenalarm in die Lage versetzt, vor dem Feuerwehrauto zur Fundstelle zu fahren. Seine Vorgängerin musste, da man ihr untersagte, Blaulicht zu nutzen, noch hinter dem Fahrzeug fahren. Wenn das kein Fortschritt ist.