„Dunkirk“ – Nolan über den Individualismus der Jugend

Dünkirchen und der tief im Fleisch der Engländer sitzende Stachel, die Deutschen haben sie entkommen lassen, um mit ihnen einen Friedensvertrag, der Hitler ermöglicht hätte, alle seine Kräfte gegen die Sowjetunion zu werfen, abzuschließen – Nolan hat ihn nun herausgeschnitten. Selbst der hartgesottenste Kinobesucher dürfte sich schwertun, an irgendeiner Stelle des Films auf den Gedanken zu kommen, einem gemütlichen Ausflug über dem Ärmelkanal beizuwohnen. Der Regisseur sorgt dafür, dass Stukas und U-Boote den Briten gehörig zusetzen. In der richtigen Schlacht hatten sie dennoch sie Glück – am Anfang des Krieges hat es nur wenige Flächenbombardements (Warschau, Rotterdam) gegeben. Aber zum Glück ist niemand aus „Meiers“ Stab (ich weiß gar nicht, ob man Göring damals schon so hätte ansprechen dürfen) auf die Idee gekommen, über dem Gebiet schwere Bomber einzusetzen. Die Verluste wären verheerend gewesen (auch für die Bevölkerung). Wie in den meisten Kriegsfilmen, in denen es um Soldaten geht, die sich ein einer ausweglosen Lage befinden, sind die Protagonisten jene, die den Entschluss gefasst haben, ihr Entkommen zu beschleunigen. Jedes Mittel ist da recht, jedoch überrascht mich schon, dass Nolan bereits am Anfang uns zwei Soldaten zeigt, die mit einem Trick, der ganz und gar nicht britisch ist, versuchen, aus dem Schlamassel herauszukommen. Der Regisseur lässt sie scheitern, was in einem Film über Stalingrad, wo mit weitaus härteren Bandagen gekämpft wurde (um in eines der heißumkämpften Flugzeuge zu gelangen, haben sich in einem Streifen Soldaten die Nummern der Verletzten, die vor dem Abtransport starben, angeheftet), ziemlich am Ende zu sehen wäre. Deren Abenteuer fangen aber jetzt erst richtig an. Und Nolan hat es auf wundersame Weise geschafft, dass ich den beiden weiterhin wohlgesonnen bin, ja ich nach diesen dramatischen Szenen noch wesentlich mehr Sympathie als vorher für sie hege. Deren Individualismus hat wohl etwas mit deren Alter zu tun – während die erfahrenen Soldaten darauf warten, abgeholt zu werden, nehmen die Jungspunde ihre Rettung selbst in die Hand, mit ernüchternden Ergebnissen. Wer will, der kann Nolans Film als Plädoyer für das Schlangestehen, das die Briten meisterhaft beherrschen, verstehen. Reihen, gefüllt mit Soldaten, die stoisch am Strand verharren, gibt es derer zuhauf. Sie alle kommen raus, was vor allem auch jenen Freiwilligen, die ihre Boote lieber selbst steuern, als sie Leuten der Navy anzuvertrauen, liegt. Wenn die Situation es erfordert, halten selbst die größten Individualisten zusammen bzw. tun das, was von ihnen verlangt wird.

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