Warum nicht mal wie Churchill die U-Bahn nehmen? (Spoiler)

Wie würde die Welt heute aussehen, wenn Churchill nicht ausgerechnet in der „schwersten Stunde“ auf die Idee gekommen wäre, zum ersten Mal in seinem Leben die U-Bahn zu nehmen? Die Folgen – ob dieses Geschehnis historisch verbürgt ist, hätte uns von Tunzelmann sagen können, wenn ihre Serie „Real History“ nicht eingestellt worden wäre – sind so dramatisch, dass ich mir gestern noch gewünscht habe, Schulz möge es Churchill gleichtun. Als ich heute dann lesen musste, über 70 Prozent der Wähler würden es nicht gut finden, wenn sich die SPD einer Groko verweigere, glaube ich, es ist besser, wenn er weiterhin seine Limousine nutzen würde. Merkel ist hierzulande noch nicht so unbeliebt wie der Führer in England, gegen den alle, denen Churchill in der Bahn begegnet, kämpfen wollen, bis er besiegt ist. Sein Triumph am Ende des Films, als er alle davon überzeugt hat, gegen die Deutschen zu Feld zu ziehen, ist so überwältigend, dass ich mich gefragt habe, warum ihn die Briten nach dem Sieg über die Deutschen abgewählt haben. Die Ironie der Geschichte ist, dass ihm die Appeaser, die ihm das Leben aufgrund ihres ungeheuren Einflusses zur Hölle gemacht heben, erst seinen Erfolg, nämlich die Evakuierung fast aller britischen Soldaten aus Dünkirchen, ermöglicht haben (natürlich stammt die Idee, die Leute mit allem, was zur Verfügung steht, herauszuholen, auch von ihm). Ohne den Machtkampf in den ersten Tagen seiner Amtszeit, in denen Hitler durchaus glauben konnte, eine Art Friedensabkommen mit Großbritannien sei möglich, wäre das Wunder im Kanal sicherlich gar nicht möglich gewesen. Ein wenig irritierend ist es aber schon, dass der Film vermuten lässt, Churchill habe ganz allein die Briten dazu ermutigt, weiterzumachen. (In der Sowjetunion war es genau umgekehrt – selbst Stunden nach dem Angriff der Deutschen hat er nicht wahrhaben wollen, dass sich sein Land mit Hitler im Krieg befindet. Dabei ist er gewarnt worden.) Der Winston im Film scheint mir einen Tick zu soft zu sein, was sicherlich an der Synchronstimme liegt. Zum anderen erlaubt sich der Regisseur, ein weit verbreitetes Vorurteil, nämlich dass es sich beim ihm um ein Ekel, der sarkastischer nicht sein kann, nicht zu bedienen – diesem Winston kann man jedoch durchaus Enkelkinder anvertrauen, wobei man damit rechnen sollte, dass er den minderjährigen Sprösslingen erlaubt, Wein und Brandy während des Diners zu trinken. (Er würde einen guten Brummpa abgeben.) Zwei überaus charmante Frauen, mit denen er viel Zeit verbringt – einmal seine Frau (Emma Thompson schafft es, ihn in Puncto Witz zu übertreffen) sowie seine Sekretärin, die das Unmögliche hinbekommt, nämlich sich Respekt und Anerkennung zu verschaffen (ein Ungeheuer für jede Tippse) – , tun ihr Bestes, ihn in ein gutes Licht zu rücken. Nichtsdestotrotz spielt Oldman, obwohl er dem Original nicht im geringsten ähnelt, die Rolle hervorragend.

PS: Heute würde Churchill natürlich wegen des Outings, noch nie U-Bahn gefahren zu sein, abgestraft werden. Einer hat wegen Tube-Wissenslücken sogar die letzte Bürgermeisterwahl verloren.

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