Die neuen Tugenden – Empörung und Übertreibung

Wohin mit beiden Tugenden? Auch wenn man sie nicht braucht, um ein KZ führen zu können, würde der Blog sie den Sekundärtugenden zuordnen, wobei deren Ausprägung natürlich stark von einer Kardinaltugend, der Mäßigung, abhängig ist. Über unseren Bundeskanzler kann man sagen, dass beide Tugenden nicht sonderlich gut bei ihm ausgeprägt sind. Jedenfalls versucht er, diesen Eindruck zu erwecken. Das klappt natürlich nicht immer, wie seine Einschätzung der Sylter Festspiele zeigt – es ist schwer, etwas Anstößiges zu kritisieren und dabei den Eindruck zu vermitteln, die Meldung, in diesem Fall ist es ein Video, habe den gleichen Nachrichtenwert wie ein Sack Reis, der in China umgefallen ist. Ist die „Empörungsmaschine“ (Ein Wort, das der Blog erfand. So muss ein Artikel sein – wenn man ihn nach Jahren liest, was man nicht, was man geschrieben. Vielleicht findet der eine oder andere Leser ihn verständlich.) erst einmal angelaufen, ist die Übertreibung nicht mehr fern. Auf dem Oktoberfest darf das Lied nicht gesungen werden. Vermutlich aus Angst, ausländische Gäste könnten den anstößigen Refrain mitsingen. Alle, die die alten Klischees über die Deutschen gerne bestätigt sehen würden, haben nun keinen Grund mehr, zu kommen. Da kann man den Münchenern nur wünschen, dass nicht allzu viele potentielle Gäste in der Hoffnung kommen, zuhause damit prahlen zu können, dass sie mit Nazis gefeiert haben. Ist man einmal den Übertreibungsmodus drin, dann ist es fast unmöglich, wieder herauszukommen, wie das Beispiel Ukraine zeigt – weit und breit ist keine rhetorische Abrüstung in Sicht. Man ist noch auf dem Level bei Ausbruch des Krieges, als man hierzulande fürchtete, die Russen können in wenigen Tagen in Berlin sein. Europa ist natürlich weiterhin in höchster Gefahr, auch wenn Zelinskyj nach Meinung vieler Politiker und Militärs nun den Krieg gewinnen kann, ja muss. Und er wird es auch schaffen. Es scheint zum guten Ton zu gehören, Aussagen zu treffen, die sich widersprechen (Winnetou würde sagen, die westlichen Politiker sprächen mit gespaltener Zunge). Es ist die Kriegsrhetorik jener, die sich sicher sind, als Sieger vom Schlachtfeld zu gehen. Macron gehört zu denen, die diese Rhetorik gut beherrschen. Verluste spielen für sie keine keine Rolle. Sie fragen auch nicht, ob es sinnvoll ist, den Krieg weiterzuführen. Wer dagegen ist, hat Glück, wenn er als Pazifist, der nichts vom Kampf versteht, bezeichnet wird. Eine Einheitsmeinung ist ihnen wichtig. Geht es nicht so aus, wie erhofft, können sie sagen, dass alle falsch gelegen haben.

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