Die Bilder im Internet – bspw. jenes, auf dem Hushpuppy, die Heldin des Films, am Ende eines Boots steht, dessen Aussehen vermuten lässt, es müsse sich um eine Komödie der Machart „Tschitti Tschitti Bäng Bäng“ handeln – versprechen eine heile und glückliche Welt, „Beasts of the Southern Wild“, der Mitte Dezember anläuft, zeigt jedoch das genaue Gegenteil, und das schon ab der ersten Minute, denn Regisseur Benh Zeitlin hat sich entschlossen, sein Erstlingswerk mit einer Szene zu beginnen, in der ein von den Elementen verbeultes Wellblechhaus, das auf Stelzen und einem Tank ruhend den umstehenden Baumwipfeln Konkurrenz macht, zu sehen ist. Dass nach einer Weile dann im Haus das Licht angeht, habe ich als kleines Wunder empfunden.
Die Menschen sind also nicht ganz der Zivilisation entrückt. Eigentlich ist „Bathtub“, so heißt die Ansiedlung, in der Hushpuppy und ihr Vater wohnen, ein idealer Ort zum Großwerden – in den Bayous Louisianas gelegen, finden die Bewohner in dessen Umgebung, vom Strom und Alkohol mal abgesehen, alles, was sie zum Leben brauchen. Leider sieht die Realität anders aus. Das Mädchen muss in ärmlichen Verhältnissen hausen, schlimmer aber noch ist, dass sie, so hat es den Anschein, unter den für hiesige Verhältnisse archaischen Erziehungsmethoden ihres Vaters zu leiden hat. Dieser Eindruck trügt, denn im Verlauf des Films wird klar, dass sein Motto, niemals Tränen zu zeigen und immer hart zu bleiben, nicht ganz falsch ist.
Die Menschen, die mit „Wink“ befreundet sind, verbindet der Abscheu gegenüber allem, was vom Festland kommt. Das geht so weit, dass der Vater sich weigert, in der Stadt sich einer Operation zu unterziehen (der aufmerksame Zuschauer wird im Nachhinein feststellen, dass er sich dieser gleich zweimal entzogen haben muss). Warum diese Ablehnung? Vermutlich lehnt er die Behandlung aus religiösen Dingen ab. Zudem weiß er, dass vom Festland – eine Chemiefabrik liegt ganz in der Nähe, dann verhindert ein Levee (Damm), dass der Mississipi das Geröll, das er mitschleppt, schon an der Insel loswerden kann – nichts Gutes kommt. Er ist schon vor der Katastrophe, einem Hurrikan, ein Ökofan (wenn auch unbewusst), danach aber wird er zum Ökokrieger – die Aktion, die er mit seinen Freunden, die alle wundersamer Weise das Unwetter überlebt haben, startet, kommt leider zu spät (aus guten Gründen, die Lehrerin hat natürlich alles schon im Voraus gewusst). Das scheint mir eine Metapher für das, was die Menschen in 100 Jahren (ich vermutlich nicht mehr) erleben werden, zu sein – nichts wird mehr so wie früher bzw. nach einer Katastrophe sein.
Daran, dass in dieser rauen und unwirtlichen Welt „Hushpuppy“ von ganz eigenartigen, höchst gefährlichen Lebewesen, die längst ausgestorben sind, träumt, ist nur ihre burschikose Lehrerin schuld. Ein Wunder, wie sie das aushalten kann. Ich habe vorsichtshalber erst einmal nicht geschaut, als eines von ihnen ihr sehr nahe kam (das war natürlich unsinnig). Ein Kind, dass in der Stadt unter ähnlich widrigen Bedingungen groß wird, träumt vermutlich von Mädchen, die alle rosa Kleider tragen. Steht die Wiederkehr dieser unheimlichen Tiere für etwas, was uns ebenfalls erwarten könnte? Ich weiß es ehrlich gesagt nicht.
Nichtsdestoweniger passt ihr Traum perfekt zur Handlung des Films. Ein wirklich sehenswerter Film, dessen Anfang mich zwar sehr verstört hat, dann aber, als ich einzuschätzen wusste, wie jeder tickt, mir immer besser gefallen hat. Quvenzhané Wallis spielt „Hushpuppy“ großartig (ein Idealfilmkind). Es war wohltuend, erleben zu dürfen, dass die (Kino)Welt nicht nur aus vorlauten und halb-erwachsenen Kindern, für die der deutsche Film eine Schwäche hat (sie müssen beim hiesigen Publikum gut ankommen), besteht. Dwight Henry überzeugt in der Rolle des Vater „Wink“. Da ist alles glaubwürdig.
Filmexperten sind eher in der Lage, anhand der Debüts heutiger Starregisseure zu beurteilen, ob Benh Zetlin eine große Zukunft vor sich hat, als bloßer Film-Aficinado meine ich, dass wir uns auf seinen nächsten Film freuen dürfen.
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