Zu spät wertgeschätzt?

Oft schätzt man eine Sache erst, wenn es sie nicht mehr gibt, im Falle der FTD, die, wie vorgestern offiziell bekannt gegeben wurde, am 7. Dezember zum letzten Mail erscheint, hat eine abwertende Bewertung in einem der vielen FTD-Nachrufethreads – die Stones müssten, was ich unter gar keinen Umständen wünsche, bei einem ihrer Jubiläumskonzerte den Musiker-Heldentot sterben, um auch so viele Würdigungen zu erheischen – auf Spiegelonline mir bewusst gemacht, dass mit der Schließung der Zeitung ich auf Analysen, die ich immer sehr geschätzt, jedoch in letzter Zeit nur noch sehr sporadisch gelesen habe, vermissen werde. Eine Geringschätzung Frickes, der jeden Freitag schreibt, veranlasste mich, dessen neuesten Artikel zu lesen. Mir hat er, wie schon so manch anderer, sehr gut gefallen.

Aber warum habe ich aufgehört, freitags nicht mehr dessen Kolumne aufzurufen? Ich habe keine Erklärung dafür. Vermutlich lag es an meinem Blog (die ökonomische Großwetterlage ist ja nicht unbedingt ein Schwerpunktthema). Außerdem wiesen die „NachDenkSeiten“ – wer dort auftaucht, ist wirklich wichtig – in letzter Zeit nur selten auf dessen Kolumnen hin. Und dann war noch sein Auftritt bei Illner, der für jeden, der schon einmal etwas von ihm gelesen hatte, recht enttäuschend war – Fricke vermied, jedwede Kritik zu üben (seine Artikel verhießen einen Sturmangriff auf Merkels EU-Kurs). Konzilianter ging es nimmer.

Zum Glück ist er nicht der einzige Wirtschaftsjournalist, der meint, dass alles, was unter dem Label „Austerity“ angeboten wird, die Lage nur verschlimmern würde. Die meisten sind jedoch nicht seiner Meinung. Von den exponierten fällt mir keiner ein, der ebenso drastisch über die selbst auferlegten Ausgabebeschränkungen urteilt (ich muss einräumen, nicht sonderlich viele zu kennen). Summa summarum wäre es ein Verlust, wenn er nicht mehr schreiben würde. Was passiert eigentlich mit der Webseite? Kann ich die Artikel auch noch im Februar abrufen? Es wäre schade, wenn Gruner + Jahr (Verlag) alles dicht machen würde.

Heute Abend werden wir wissen, ob die Katalanen die nicht ganz unrealistische Aussicht zu wahren beabsichtigen, sich in 5 Jahren darüber ärgern zu dürfen, etwas, was im Augenblick bei der Mehrheit höchst unbeliebt ist, abtrünnig geworden zu sein. Nein, die Katalanen haben nicht die Absicht, dem Katholizismus abzuschwören. Es ist nur Spanien, das die meisten liebend gern verlassen wollen. Gewinnt die in den Umfragen führende (Unabhängigkeits)Partei die absolute Mehrheit, will sie die Bürger direkt darüber abstimmen lassen (das muss recht ernst sein, denn sonst hätte der Guardian nicht ausführlich über eine mögliche Abspaltung berichtet). 429 Jahre lang, ab der Abdankung Karls V. bis zum Dahinscheiden Francos (11 Jahre firmierte das Land als Republik), gab es gute Gründe, sich von Spanien loszusagen. Nun will man wegen des schnöden Mammons weg (selbst Spaniens neuer Status als Kulturgroßmacht, das gilt besonders für den Film, stärkt nicht das Zusammengehörigkeitsgefühl). Den Katalanen geht es wie den Kaliforniern – sie erwirtschaften das meiste des Landes, jedoch sind sowohl die autonome Gemeinschaft als auch das Bundesland am höchsten verschuldet. Von letzteren ist nicht bekannt, dass sie die Föderation verlassen wollen. Die Katalanen meinen, wenn sie kein Geld mehr nach Madrid zu überweisen bräuchten, würde es ihnen viel besser gehen.

Sollte die Eigenständigkeit die Region voranbringen, dürfte es viele Nachahmer geben. In Deutschland würden die Bayern den Anfang machen, und das nicht wegen ihrer prosperierenden Wirtschaft, sondern weil sie es schaffen, auch die Zugezogenen – die waschechten Bayern, wozu ich alle zähle, deren Vorfahren schon vor 1945 im Freistaat ansässig waren, müssten schon längst in der Minderheit sein – davon zu überzeugen, dass nichts über die bayerische Lebensart geht, was ja nicht allzu schwerfällt, wenn es als schick gilt, auf der Wiesn ein Dirndl zu tragen (andere Regionen tun sich da viel schwerer mit der Tradition). Deren Way of Life ist so gar nicht typisch Deutsch, und sollte Bismarck, woran ich nicht glauben mag, erlaubt worden sein, das Geschehen vom Himmel zu verfolgen, wird er sich darüber ärgern, dem „Märchenkönig“ Ludwig gestattet zu haben, seine Spleens, die alle höchst anti-preußisch und damit undeutsch waren, auszuleben. Ludwigs größte Leistung ist es, den Bayern das Gefühl gegeben zu haben, nicht zum Reich zu gehören. Vermutlich war er deswegen auch so beliebt beim Volk.

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