Was Sie über den neuen Feindsender wissen sollten

Falls letzte Nacht der russischer Gesandter, der zu denen gehörte, die bei Illner über den Konflikt in Ukraine diskutierten, geträumt haben sollte, er habe an einer Talkshow im russischen Fernsehen teilgenommen, wäre das angesichts des Wohlwollens, das ihm seine Diskussionspartner entgegenbrachten, nicht verwunderlich, nichtsdestoweniger würde ich mich nicht wundern, wenn eine strenge, herrschsüchtige Majorin in der Dienstuniform der Roten Armee ihn aus dem Schlaf gerissen hätte – schweißgebadet, jedoch froh, nicht mehr von ihr malträtiert zu werden. Die Moderatorin hat eben ihre Marotten. Wenigstens konnte Reich Ranicki ihr das Herumfuchteln mit dem Zeigefinger austreiben. Die Szene, in denen er sich dagegen verwahrte, bleibt unvergessen. Zwei andere Angewohnheiten, die mich stören, wird sie wohl nicht mehr ablegen – Teilnehmer, die langsam sprechen, müssen darauf gefasst sein, dass sie deren letzten Satz beendet. Wer es wohlwollend mit ihr meint, könnte sagen, sie würde zuhören. Ich halte es für unhöflich, jemanden nicht ausreden zu lassen. Außerdem weiß ich nicht so recht, ob ich das als Zeichen, dass sie von dessen Meinung nicht viel hält, deuten kann. Dieses Problem hatte der Russe nicht. Vielmehr ist er, wenn ich mich recht erinnere, oft von ihr unterbrochen worden.

Das würde ihm bei RT, der einzige russische Sender, den ich kenne, nicht passieren (Warnung – das ist der Feindsender Nr. 1). Die Damen sind dort ausgesprochen höflich und zuvorkommend, nichtsdestoweniger ziemlich hartnäckig. Außerdem vermitteln sie den Eindruck, etwas unbedingt wissen zu wollen (SophieCo und Worlds Apart). In letztgenannter Sendung kann es durchaus passieren, dass die Interviewerin mehr als ihr Gast erzählt (im deutschen Fernsehen völlig undenkbar). Keine Regel ohne Ausnahme – bei Crosstalk, wo es, von den letzten Sendungen, in denen einfach kein Streit aufkommen wollte, mal abgesehen, immer recht ruppig und rau zugeht. Da es heißt, im Kriegsfall wäre der Feindsender die beste Informationsquelle, würde ich für den Fall, dass jemand auf die wahnsinnige Idee kommen, mich in die Ukraine zu schicken, mir erbeten, mich mittels RT über das Kriegsgeschehen auf dem Laufenden halten zu dürfen. Dass deutsche Bundeswehrsoldaten schon bereits vor Ort, wie Russia Today zu berichten weiß. (Habe mir nicht die Mühe gemacht, herauszufinden, ob die Russen die Situation anderes als die Deutschen beurteilen.) Anstatt alleine die Lage zu erkunden, haben sie sich von ukrainischen Offizieren begleiten lassen. Den Russen wird es gefallen – sie werden sich in ihrer Meinung, der Westen unterstütze die neue Regierung in Kiew vorbehaltlos, bestätigt fühlen. Der Mensch fühlt sich besser, wenn seine bisherige Einschätzung bekräftigt wird.

Ein harsche Kritik muss ich dennoch machen – wo bleibt die Kultur? RT hat keine Kultursendung im Programm. Ein ttt(titel, thesen, temperamente), nur ohne Moor, muss unbedingt her. Wäre ich dort Chef, würde ich das sofort ändert.

PS: Eine Fernsehanstalt, deren Sendungen ich noch nach einer Woche im Netz finde. Was soll Russland da in der EU, wo es verboten ist?

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