Die Kritiker liegen falsch

So sind die Österreicher – erst behandeln sie Hitler so schlecht, dass er unbedingt Deutscher werden muss, 100 Jahre später drehen sie dann einen Film, der suggeriert, die Deutschen hätten den Attentätern in Sarajevo geholfen. Leser dieses Blogs kennen die Story des unbelehrbaren Erzherzogs, der anstatt sich im Rathaus der Stadt zu verbarrikadieren, unbedingt durch Stadt fahren musste. Sie wissen, einem heutigen Politiker würde dies nicht mehr passieren, darum die Wahrscheinlichkeit, dass noch einmal ein Krieg wegen eines Attentats auf einen Politiker beginnt, höchst gering ist. Jetzt, so habe ich bei Augstein gelesen, könnten die vier Bundeswehrsoldaten, die in Slawjansk festgehalten, einen Konflikt in Gang setzen. Der wäre vermutlich schon längst ausgebrochen, wenn die Freischärler statt der Deutschen Amerikaner festgesetzt hätten. In den USA hätten die Medien und Politiker schon längst von Obama gefordert, die Geißeln herauszuholen, koste es, was es wolle. In Deutschland ist bisher noch niemand auf die Idee gekommen. Hier sind viele gar der Meinung, den Schlamassel, in dem die vier stecken, haben sie nur ihren Vorgesetzten zu verdanken. Viele der Verbündeten werden sich seit Freitag fragen, was noch passieren muss, bis die Deutschen bereit sind, die Bundeswehr zu schicken. Es wollen einfach keine Rache- und Vergeltungsgelüste aufkommen.

1914 war diese Stimmung nicht vonnöten, um an die Front zu ziehen. Da galt der Krieg als ein großes Abenteuer. Dass sich ausgerechnet der Untersuchungsrichter (als einziger) im klaren ist, welche Konsequenzen ein Krieg haben wird, zu dessen Rechtfertigung seine Ermittlungsergebnisse benutzt werden würden, hat mich ziemlich überrascht (leider war es mir nicht vergönnt, den Anfang des Films zu sehen). Und da der Ruf eh ramponiert ist, spielt es keine Rolle, wenn ein deutscher Arzt den Attentätern geholfen haben sollte. Das ist wohl der Grund, warum „Das Attentat – Sarajevo 1914“ bei deutschen Kritikern ziemlich schlecht wegkommt, was ich sehr unfair finde, ist der Film doch viel besser als die unselige Mütter-Väter Reihe. Mich hat an diesem Film fast nichts gestört. Prochaska, der Regie führte, schafft es, den Takt, nach dem sich das Kaiserreich zu bewegen pflegte, zu treffen – ruhig und gemächlich nimmt die Geschichte ihren Lauf. Hektik gibt es nicht. Eine Langsamkeit, die nicht langweilt. Da kann ich ihm verzeihen, dass er das Geschehen zugunsten Österreichs verändert haben könnte. Ich glaube, wir sollten generell nachsichtiger mit den Österreichern sein. Die Vorstellung, der Führer habe in Berlin vor Hunderttausenden erklärt, Deutschland sei Österreich beigetreten (angesichts der Begeisterung, mit der Hitler überall empfangen wurde, sollte dies keine Schwierigkeiten bereiten), sozusagen ein umgekehrter Anschluss, macht deutlich, es hätte noch viel peinlicher werden können. Österreich würde möglich gar nicht mehr existieren, hätte die Geschichte diesen Wege genommen.

Darüber, wie Europa heute aussähe, wenn Wojtyla nicht Papst geworden wäre, lässt sich, die gesicherten Erkenntnisse, dass die katholische Kirche einen Heiligen weniger hätte und den Polen 250 Johannes Paul II Denkmäler erspart geblieben wären, außer Acht lassend, nichts Genaues sagen. Dessen Heiligsprechung am Sonntag fand ich recht bizarr. Der Vatikan hätte besser daran getan, darauf zu verzichten. Aber das Volk bzw. die Polen wollten unbedingt einen Heiligen haben. Ihm wäre das ganze Prozedere und der Hype, den man um ihn gemacht hat, überaus peinlich gewesen. Aus Ärger hat er im Himmel, auf den er als Heiliger nicht nur ein Anrecht, sondern dort auch einen VIP-Status genießt, sicherlich schon verkündet, er sei kein Pole mehr, sondern er fühle sich seit Sonntag als Russe (er hat immer einen Faible für besonders gebrandmarkte Völker gehabt). Um den Polen klarzumachen, was für einen schrecklichen Personenkult sie zur Zeit betreiben, bedarf eines göttlichen Zeichens – nur der Einschlag eines Blitzes in die 13 Meter hohe Statue JPs in Częstochowa kann die Polen wieder auf den rechten Pfad bringen. (Vor der Wende wollte ich unbedingt da mal hin. Wer zu spät kommt, den bestraft wirklich das Leben.)

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