Traurige Zeiten

Jetzt auch Frankreich! Daran, dass die Deutschen sich schwertun, Plätze und Straßen zu gestalten, habe ich mich ja mittlerweile schon gewöhnt. Dass es mit dem Geschmack der Franzosen, die schließlich den Boulevard erfunden haben (das sogar lange vor Haussmann), auch nicht mehr weit her ist, überrascht mich doch sehr – sie haben es geschafft, zum Mont-Saint-Michel – da die ländliche, urgemütliche Deichstraße sich anschickte, aus der Felseninsel ein Cap zu machen, muss sie abgetragen werden – eine Brücke, die, dank der überbreiten Fahrbahnen, städtischer nicht sein kann, zu bauen. Gesegnet ist der Wanderer, dessen Abenteuersinn beim Marsch zur Insel entfacht wird. Da ist seit gestern Phantasie gefragt. Viele der Fußgänger werden zudem schimpfen, dass Unterstände, die jenen, die nicht den Shuttlebus nehmen wollen, Schutz vor heftigen Schauern bieten würden, fehlen. Vielleicht erbarmen sich die Fahrer der Linienbusse, sie mitzunehmen. Trampen im Watt. Das wäre mal etwas ganz Neues. Hätte nicht ein Fußgängersteg gereicht? Jene, die absolut nichts mit dem Laufen am Hut haben, hätte man ja mit einem Luftkissenboot zur Insel bringen können. Das ist allemal aufregender, als mit dem Omnibus chauffiert zu werden. Eine Fahrspur mit Ausweichstellen wäre auch noch erträglich. Zwei sind aber entschieden zu viel.

Wie schön wäre es, wenn die Tagesschau mit dieser Meldung aufmachen könnte. Stattdessen stehen die opferreichen Kämpfe, die von Tag zu Tag immer mehr Menschen als abscheulich und unsinnig empfinden, im Gazastreifen sowie in der Ukraine im Mittelpunkt der Berichterstattung. Angesichts vieler getöteter Zivilisten, zusammen dürften über tausend Menschen umgekommen sein, und zig zerstörter Häuser ist es völlig verständlich, dass die Zahl derer, die sich fragen, ob die Mittel, derer sich die Kriegsparteien bemächtigen, nicht völlig unangemessen sind, unaufhörlich zunimmt. Recht haben sie, denn im Augenblick sind die Kontrahenten dabei, neue Gegner zu rekrutieren. (Der Krieg ernährt den Krieg. Meistens ist das im Gegensatz zu Wallensteins Zeiten dann ein neuer Konflikt.) So sollten die Israelis sich nicht wundern, wenn der größte Teil der Jugendlichen und Männer, die wegen der „Klopf aufs Dach Taktik“ ihre Wohnungen verloren haben, sich der Hamas anschließt, um gegen sie zu kämpfen. Die Raketen der Palästinenser tragen dazu bei, dass der IDF nicht die Freiwilligen ausgehen. Aber wie kann ein Land Taktiken anwenden, die vierhundert Zivilisten das Leben gekostet hat, wenn es nur einen toten Bürger zu beklagen hat? (Ich habe mir sagen lassen, im heute journal hätten sie kein Problem, das zu erklären. Der Aufmacher von gestern – „Anti-Israel-Demos in der Kritik“.) Warum muss Israel die Eingänge der Tunnel, die dazu dienen, Attentäter nach Israel zu schmuggeln, zerstören, wenn es die Möglichkeit hat, gleich hinter oder direkt an der Grenze mittels Seismographen die Gänge bzw. Bewegungen zu orten? Zur Not könnte man im Grenzgebiet immer wieder Sprengungen vornehmen. Stattdessen schickt man Soldaten und Panzer in den Häuserkampf. Stalingrad lässt grüßen.

Wissen die US-Geheimdienste wirklich nicht mehr über den bisher traurigen Höhepunkt des Krieges in der Ukraine? Was RT und der Guardian zu berichten haben, lässt vermuten, dass die USA nichts wissen bzw. ihre Informationen aus dem Internet haben. Das ist mehr als dürftig. Dass sich die Staaten nicht mal mehr die Mühe zu machen brauchen, zu verfolgen, was in einem Kriegsgebiet, in dem deren Partner aktiv ist, vor sich geht, zeigt, wie sicher und überlegen sich Obama und Co. fühlen müssen. Läuft etwas übelst schief, sind die Russen eh die Buhmänner. Über die Internet- und Handynutzer weiß die USA alles. Was in einem Krieg, der weit entfernt von Washington geführt wird, passiert, ist der Führung, wenn sich diese bzw. ihr Partner nicht zu fürchten brauchen, für Taten beschuldigt zu werden, egal. So lässt sich Geschichte machen. Unablässig geht es voran. Wer still hält und nachdenkt, hat verloren.

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