Das ist selbst dem Spiegel zu hoch

Was Sie schon immer über Merkels Geburtstagsvorträge wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten, da Sie fürchteten, Sie müssten Ihr Vorurteil, dass sich nur jemand, der langweilig und trocken ist, einen wissenschaftlichen Vortrag als Geschenk wünschen kann, revidieren – sofern Sie bis Montag auf diesem Blog landen, sind Sie nur noch einen Klick und einen Absatz davon entfernt, diese Ihre Meinung zu ändern. Dem Blog ist es nämlich gelungen, das Referat, das ihr gestern als Unterhaltungsprogramm dargeboten wurde, im Netz aufzutreiben. Und siehe da – so humorlos und öde, wie der Autor, den Spiegelonline zur Feier geschickt hat, ihn findet, ist der „wissenschaftliche Vortrag“, von den vielen Fremdwörtern und sperrigen Substantiven, die Osterhammel verwendet, mal abgesehen (eine ideale Gelegenheit, diese mit Powerpoint, über das die FAZ gerade eine Schmähschrift verfasst hat, zu erklären), nun wirklich nicht. Um die Worterläuterungen hinzubekommen, müsste das Programm, dessen Anwendung, so habe ich erfahren, selbst bei der geringsten Dosierung viele ermüden lässt, jedes komplizierte Wort, das einen gerade über die Lippen kommt, auf die Wand beamen oder im Computer anzeigen. „Sanskritistik“ (das Wörterbuch meines Schreibprogramms kennt es auch nicht) wäre der erste Begriff, den Osterhammel an die Wand sprechen bzw. werfen müsste. Ob die Leute, die die Einladung ins Adenauer-Haus angenommen haben (da ich bisher immer Geschichtsvorträgen folgen konnte, wäre ich gegangen, hätte ich eine erhalten), sich trauten, während des gemütlichen Teils, der in diesem Fall höchste Konzentration verlangt, im Netz zu suchen, was es damit auf sich hat, weiß ich nicht. Der Duden im Netz sagt mir, Sanskrit sei die Wissenschaft von einer altindischen Literatursprache, der in dieser Sprache geschriebenen Literatur und der altindischen Kultur. Da nach 23 Wörtern schon wieder Ungemach droht („Gräzist“ – bitte selbst nachschlagen), ist es wichtig, die Erklärungen so kurz wie möglich zu halten. Leider ist Microsoft aber noch nicht so weit. Jedoch sollte das niemanden abschrecken. Denn hat man es erst einmal verstanden, die Wörter, mit denen man nicht anzufangen weiß, zu überhören, ist das Zuhören das reinste Vergnügen (fast wie bei einer Fremdsprache). Einige Passagen sind wirklich recht amüsant. Dass sich die Christsozialen an dem Text nicht sonderlich erfreuten, wundert mich mich – die sind nur Derbes gewohnt. Um ihre Parteifreunde aber nicht all zu sehr zu verwirren, hat Merkel darauf verzichtet, Gysi einzuladen. Sie weiß, dass sie weiter im Amt bleiben muss, um ihren nächsten runden Geburtstag genauso stil- und glanzvoll feiern zu können. Im Augenblick sieht so aus, als ob dies nur ein Atomkrieg verhindern könnte.

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