„Nightjet“ – jede Schneewehe ist willkommen,

auch wenn sie nur wenige Minuten Schlaf verspricht. Vielleicht hätte schon die Vorstellung, über den „Nightjet“ wird sich ein Blizzard auftun, der den Zug zum Stehen bringt, mir geholfen, dem Geholperre und Geruckele sowie der Geräuschkulisse zu entkommen. (Als spartanischer Handynutzer wäre mit nicht anderes als eine gespenstische Ruhe in den Sinn gekommen.) Einmal weg, bleibt nur, darauf zu hoffen, dass der Fahrer nicht allzu schnell scharf bremsen muss. Wer dann auf der Seite liegt, der rutscht nach vorne Richtung Bettkante. (Mir ist nicht bekannt, wie viele schon aus ihren Kojen geflogen sind. Man kann aber ein Sicherungsnetz festzurren, was eine Bruchladung unmöglich machen sollte). Alleine die 12 regulären Stopps auf der Fahrt von München nach Mailand bedeuten, 12 mal wach werden zu können. (Die 12 ist eine magische Zahl auf der Strecke – die Zugfahrt dauert 12 Stunden.) Hinzukommen die Halte vor den Signalen. Da mir während der Fahrt der Gedanke, dank des vielen Schnees würde die Lok bald festsitzen, verwehrt blieb, kann ich nicht sagen, ob ich überhaupt ein Auge zugemacht haben. Schlafforscher meinen, wir würden die Zeit, von der wir denken, wir wären in der wach gewesen, überschätzen. In Wirklichkeit hätten wir viel länger geschlafen. So werde ich auch ein eingenickt sein. Jedoch nicht lange genug, um die zwölf Stunden im „Nightjet“ nicht als wahres Martyrium zu empfinden. Da kamen schon einige Fragen auf. Wie will Poirot in diesem Lärm gehört haben? Was hat Agatha Christie da zusammengeschrieben? Hat sie nie eine Fahrt im Schlafwagen mitgemacht? Oder waren die Züge, die vor mehr als 80 Jahren gebaut wurden, leiser? Die Schneewehe hat alles „beantwortet“. Der „Nightjet“ ist etwas für Leute, die überall und zu jeder Zeit schlafen können. Für Chinesen, denen nachgesagt wird, sie könnten jederzeit und überall einnicken, wäre der Zug ideal. In Deutschland können ihn gerade einmal jene 20 Prozent Erwerbstätigen, die keine Schlafstörungen haben, nutzen. Das sind immerhin noch ein paar Millionen. Bis aus dem Abenteuer eine Sache wird, die man genießen kann, werden wohl noch einige Jahre vergehen. Wenn die Industrie es schafft, Liegen zu bauen, auf denen die Bewegungen, die der Zug macht, kaum zu spüren sind, könnte das Konzept eine große Zukunft haben. Wenn das nicht geht, bleibt wohl nur, „Rastplätze“ für Schlafwagen einzurichten. 5 Stunden sollten es schon sein. Nur eines scheint mir ausgeschlossen zu sein – ein Klo für jede Kabine wird es wohl nie geben. Dank meiner Wahl mit „Nightjet“ sind laut der Rechnung 169 kg Kohlendioxid nicht in die Luft geblasen worden.

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