Nicht jeder darf gegen Erdogan protestieren

Ich weiß nicht, ob Erdogan es als Trost empfindet, dass er nicht allein Özdemir aushalten muss, er aber im Gegensatz zu mir sich an einem 5-Gänge-Menü laben kann, während ich mich, falls ich ich Glück habe, höchstens an eine große Tasse Landkaffee klammern kann (den Joghurt habe schon längst gegessen), wenn er im Deutschen Fernsehen meist zu später Stunde auf der höchsten Wichtigkeits-Stufe (meistens schafft er die Zehn, die lt. Richterskala eine globale Katastrophe wie jene, die im Film 2012 zu sehen ist, auslöst) den Zuschauern seine Sicht der Dinge nahebringt. Als gute Demokrat schalte ich dann natürlich nicht aus, sondern höre mir an, was er zu sagen hat. Ob es zum vollmundig angekündigten Protest Özdemirs gegen Erdogan gekommen ist, werden wir sicherlich bald erfahren. Leider dürfen aber nur Politiker gegen Erdogan sein, Journalisten, speziell wenn sie aus der Türkei kommen, jedoch nicht, wie ein Zeitungsherausgeber erfahren musste, der aus der Pressekonferenz, die Merkel und der türkische Staatspräsident gaben, rausgeflogen ist, weil er ein T-Shirt, auf dem „Pressefreiheit für die Journalisten in der Türkei“ stand, getragen hat. Das ist fast so, als hätte es den Fall Yücel, der mehr als ein Jahr in der Türkei wegen unliebsamer Berichterstattung im Knast saß, nie gegeben. Warum deutsche Journalisten und Politiker ihren Missmut gegen Erdogan zeigen dürfen, während türkische daran gehindert, ihren Unmut kundzutun, versteht niemand, auch wenn die Vermutung nahe liegt, wegen der vielen syrischen Flüchtlinge, die Erdogan in langen Trecks Richtung in den Balkan schicken könnte (ähnlich wie die Armenier, die vor hundert Jahren in die Wüste marschieren mussten), habe man die türkischen Berichterstatter, die hier leben, beiseite gedrängt. Deutsche Kritik am System Erdogan lässt sich leichter als türkische abtun. Dabei hätte Merkel unter der Bedingung, dass Erdogan u. a. seine Säuberungen rückgängig macht und den Zeitungen mehr Spielraum gewährt, einiges zu bieten. Bspw. könnte bei einer erfolgreichen Umsetzung des Vertrags über Idlib, den er mit Putin geschlossen hat (mich würde sehr wunderen, wenn ein Vertreter der Bundesregierung sich lobend über die Abmachung geäußert hätte), die Bundesrepublik beim Aufbau der Region helfen. Im Augenblick stehen die Chancen, einen „Endkampf“ zu vermeiden, recht gut – Erdogan scheint es zu gelingen, selbst die grausamsten Kämpfer davon zu überzeugen, die Waffen ruhen zu lassen (von einer wird gemeldet, sie habe sich gesplittet). Es ist höchst ungewiss, ob das von Merkel und Co. honoriert werden wird.

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