Macron – ein Bismarck unserer Zeit?

Macron will mehr Europa wagen und die FAZ heult (die meisten zwar auch, aber die ist am lautesten) – es ist fast so wie zu Brandts Zeit, als dieser bei seinem Amtsantritt versprach, mehr Demokratie zu wagen, was bei Studenten und jungen Leuten gut ankam, er damit jedoch in der konservativen Presse kaum auf Widerhall stieß. Wenn Macron vor einer Woche seinen Job als Präsident angetreten hätte, wäre ich voller Optimismus. Aber da er sich nach seinem Amtsantritt vor knapp zwei Jahren als Napoleon III., der im Gegensatz zum Original nicht kriegerisch veranlagt ist, gebarte, ist Skepsis angebracht, zumal er in schöner Regelmäßigkeit für Fauxpas, aus denen das gemeine Volk schlussfolgern muss, sie würden von einem König regiert (mindestens) sorgt.
Gäbe es die „Gilets jaunes“ nicht, würde Macron weiterhin Hof halten. Aber wenigstens haben ihn deren Proteste veranlasst, große Teile seiner Reformen zurücknehmen. Wegen seines Festhaltens an seinem Entschluss, die Vermögenssteuer abzuschaffen, was die meisten Franzosen befürworten würden, hat sein Nachgeben sich nicht noch in den Umfragen bemerkbar gemacht – Macron dümpelt weit unten herum. Selbst Hollande stand besser als er da. Wenn er nun eine europäische Arbeitslosenversicherung sowie einen europäischen Mindestlohn fordert, klingt das auf das Erste höchst spektakulär. Das war aber auch schon zu Bismarcks Zeiten, als dieser eine Komponente der Sozialversicherung, nämlich die Krankenversicherung, einführte, der Fall. Und man kann keineswegs sagen, dass die Menschen nach deren Einführung in Saus und Braus lebten.
Wenn man über Macron sagt, er würde in Puncto Machterhalt wie der Mann aus der Altmark ticken, dann muss er entweder psychisch krank oder ein Superpolitiker sein. Ich tippe auf letzteres. Sein Gespür für die Macht sagt ihm, dass er etwas tun muss, um die Europäer für Europa zu begeistern. Das geht nur über das Geld bzw. soziale Standards, die überall gelten. Die Erfahrungen aus den Ereignissen mit den „Gilets jaunes“ haben ihn hellhörig werden lassen. Die Deutschen sehen das natürlich anders – sie glauben, er wolle ihnen, die gemäß einer höchst umstrittenen Studie neben den Holländern die einzigen sein würden, die aus dem Euro nutzen ziehen, nur das Geld aus der Tasche ziehen. Vermutlich haben sie recht. Aber des Überlebens wegen wird ihnen wohl gar nichts anderes übrigbleiben, als dessen Programme umzusetzen. Vielleicht würde man mit seinen Forderungen nicht so harsch ins Gericht gehen, wenn er sich für die zweite Pipeline in der Ostsee hätte eingesetzt. Stattdessen hat er sie mit der Begründung, die Deutschen würden sich von den Russen abhängig machen, zu torpedieren versucht. Dass sein Energieunternehmen Total mit 10 Prozent bei einer russischen Firma, die das Gas mit Schiffen transportiert, einsteigt, steigert nicht gerade dessen Glaubwürdigkeit. Wie gesagt – wäre Macron Brandt, könnten wir alle optimistisch sein.

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