„Gravity“ – „Hopscotch“ im Weltraum

Warum bin nicht ich, dem das „Hopscotch-Ticket“ ermöglichte, auf den Hebriden von einer Insel zur anderen zu springen, auf den Gedanken gekommen, dass diese Art des Reisens auch im Weltraum möglich sein könnte? Da nur zwei Menschen diesen Gedanken gehabt haben, kann es nicht an meiner Phantasie liegen. Ich hätte mich, nachdem ich „Gravity“ gesehen habe, nicht darüber geärgert, wenn mir diese Idee schon vor ein paar Jahren durch den Kopf geschossen wäre. Ein Drehbuch wäre eh nicht draus geworden, geschweige dieses verfilmt worden. Die Ehre, als erste darauf gekommen zu sein, gebühren Alfonso Cuarón, der auch Regie führt, und Jonás Cuarón. Während ich meinen Trip freiwillig gemacht habe, schickt Cuarón Sandra Bullock und George Clooney auf eine Tour, zu der sich niemand aus freien Stücken melden würde. (Alleine schon die Höhe, 600 km über der Erde, ist gleichermaßen atemberaubend und furchterregend.)

Während noch vor ein paar Jahren dieses Werk noch in die Rubrik “Science Fiction” eingeordnet worden wäre, gilt der Film heute als “Thriller”, was wohl rein kommerzielle Gründe hat, fairerweise aber nicht unerwähnt bleiben soll, dass Cuarón seinen Film-Weltraum mit einigen Gerätschaften, die tatsächlich über uns kreisen bzw. dies mal getan haben, ausgestattet hat. Der kleine Etikettenschwindel macht die Arbeit der Filmcrew nicht unbedingt leichter – der Zuschauer, zumal wenn er in dieser Materie bewandert ist, erwartet Szenen, die ihm einigermaßen logisch erscheinen. Das ist ihm – von einer Aktion, von der ich glaube, sie hat mehr mit der Walpurgisnacht als mit der Raumfahrt zu tun, abgesehen – gut gelungen. (Experten werden sicherlich noch mehr Ungereimtheiten entdecken. Bspw. habe ich eine Szene wegen des Raumanzugs (Bullock) als nicht ganz koscher empfunden. Aber die war nicht so wichtig.)

Noch bemerkenswerter für mich ist, dass der Mexikaner schnurstracks loslegt. Es gibt keine Einleitung (meist ist die auch noch ellenlang), in der erklärt wird, um was es geht. Der Zuschauer ist also von der ersten Sekunde an mitten im Geschehen, dessen Beginn nicht origineller und cooler sein könnte. Dementsprechend kann er den Saal auch eher verlassen – in gerade mal 91 Minuten hat Cuarón die Story erzählt. Das ist rekordverdächtig, denn neuerdings verlangen die Regisseure ja von uns, den gesamten Abend im Kino zu verbringen.

Clooney Fans können sich darüber freuen, dass selbst dann, wenn er mit Bullock alleine im Orbit ist und um ihnen herum alles zu Schrott wird, es Gesetz ist, dass Mister Lässig super cool bleibt. Vermutlich ist er extravaganteste Film-Astronaut (ich entschuldige mich bei den russischen Lesern) in der Geschichte der Kinematografie. Und er wird es auch bleiben. Ich wüsste nicht, wer ihn toppen sollte. Außer, sie schicken Mr. Bean noch hoch. !Spoiler! Unter diesen Umständen sollte es seinen Fans nichts ausmachen, sein Gesicht (mein Gott, ist der grau geworden) erst später zu Gesicht zu bekommen. !Spoiler! Während Clooney sich selbst spielen darf, ist Bullocks Part wesentlich anspruchsvoller. Sie muss für den notwendigen Ernst, dessen Fehlen selbst die ausgefallensten Katastrophenbilder nicht kompensieren können, sorgen. Bullock schafft es, die Spannung bis zum Ende aufrechtzuerhalten. Sie spielt sozusagen immer am Rande des Abgrunds – jeden Moment hatte ich das Gefühl, ihr könnte etwas zustoßen. Oder eine Situation nicht meistern. !Spoiler! Am Ende hat mich überrascht, dass ihr ein „Open-Water-Schicksal“ (im selben Metier versteht sich) erspart geblieben ist. Das wäre dann doch ein wenig zu viel des Guten gewesen. !Spoiler! Ein wirklich sehenswerter Film.

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