Die Schwester, die keine ist

Für einen Menschen, der sich des Berufs wegen mit der griechischen Mythologie beschäftigt (ich denke hier in erster Linie an Wissenschaftler) muss es ein Albtraum sein, wenn er zum ersten Mal von Pegida hört – alle möglichen Namen schwirren ihm durch den Kopf, nur eben nicht dieser. Nach langem Grübeln könnte sich diese Person veranlasst sehen, zu vermuten, Forscher müssen einen Text, im dem steht, dass Pegida die Schwester Pegosos‚ sei, gefunden haben. Wenn er aber dann hört, Pegida habe in Dresden 7500 Menschen dazu bewegen können, gestern Abend bei gefühlten minus 10 Grad auf die Straße zu gehen, werden ihm einige Zweifel kommen. So viele Liebhaber der griechischen Mythologie in einer Stadt, deren Bewohner zwar als recht gebildet gelten, jedoch nicht dafür bekannt sind, sich für Odysseus und Co zu interessieren, kann es nicht geben. Selbst in Athen hätte heutzutage die Freunde griechischer Sagengestalten Schwierigkeiten, Tausende auf die Straße zu bringen. Und in der Tat sind sie nicht wegen des alten Griechenlands gekommen, sondern weil sie glauben, das Abendland und damit auch Dresden wären bedroht – Pegida steht nämlich für „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“. Warum ausgerechnet in Dresden, eine Stadt, die für den Fall, es würde diese wirklich geben, den Muslimen als letzte in die Hände fiele, sich die Menschen besonders bedroht fühlen, weiß so recht niemand. Ich kann mir dieses Phänomen auch nicht erklären, was mich jedoch nicht davon abhält, eine Vermutung anzustellen – der Dünkel, der bei Einwohnern einer Residenzstadt besonders ausgeprägt ist, hat die fast 100 Jahre, in denen die Sachsen ohne König ausgekommen sind (wenigstens haben sie für ein paar Jahre einem Ersatzkönig huldigen dürfen), erhalten können. In Zeiten, als die Könige noch herrschten, war Dünkel lebenswichtig – alleine schon um seine Pfründe am Hof bewahren zu können, bedurfte es einer gewissen Standesdünkels. Je mehr man davon hatte, desto eher war man sicherlich bereits, sich gegen etwas Unliebsames zu wehren. Verfügt man über eine gehörige Portion, fällt es wesentlich leichter, ins Gefecht zu ziehen. Außerdem war es am Hofe wichtig, vorausschauend zu denken. Meist beschränkte sich das darauf, zu erkunden, wer einem gefährlich werden konnte. Diesen galt es, so schnell wie möglich auszuschalten. Wer diese Eigenschaften, natürlich in abgeschwächter Form, bewahren konnte, ist nicht davor gefeit, schnell und gewaltig über das Ziel hinauszuschießen. Wie eben gestern geschehen, als einige Tausend glaubten, sich gegen Veränderung, für die es keinen Anhaltspunkt gibt, dass sie vonstatten geht, wehren zu müssen.

Wie lange hält Europa noch an den Sanktionen gegenüber Russland fest? Heute steht im „Sputnik“, dass Chordokowski die Beschränkungen als großen politischen Fehler bezeichnet habe. Da es keinen russischen Politiker gibt, der verkündet, die Sanktionen würden Sinn machen, was hieße, er sei bereit, die Krim aufzugeben, frage ich mich, was die EU und die Bundesregierung mit ihnen bezwecken. Die würden nur helfen, das Land zum Einlenken zu bewegen, wenn die Hoffnung bestünde, dass weite Teile der Bevölkerung sowie Parteien und Politiker auf Seiten der Europäer ständen. Das tun sie aber nicht. Und ich glaube auch nicht, dass sich das ändern wird. Sollten einige Protagonisten ihre Meinung ändern, würden sie höchst unglaubwürdig werden, schließlich hätten dieser zu Beginn der Maßnahmen sich auf die Seite der EU schlagen können (z. B. wegen der Folgen). Es hat fast den Eindruck, als solle ein ganzes Volk gedemütigt werden.

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