Ab in die Höhle

Heute ist der Tag der verpatzten Schlagzeile – statt mit der Überschrift „Russen vor Frankreich, um die „Sewastopol“ zu entführen?“ aufzumachen, haben sich die Medien entschlossen, nüchterner an die Sache heranzugehen, jedoch sind sie nicht nüchtern genug gewesen, um gänzlich darauf zu verzichten, darüber zu berichten. Dabei hätten sie sich nur zu erkundigen brauchen, wohin die Russen wollen. „Russische Kriegsschiffe passieren den Ärmelkanal“ – aber nicht, weil sie Lust darauf haben, in der Mündung der Seine vor Anker zu gehen, sondern um in den Golf von Aden, wo sie Piraten jagen sollen, zu gelangen. Ich denke, dass der Titel, den ich ausgesucht hätte, wesentlich interessierter klingt, zumal wenn dann im Text stände, den Franzosen seien nicht zum ersten Mal Kriegsschiffe abhanden gekommen. Über Weihnachten 1969 haben die Israelis es geschafft, in Cherbourg unbemerkt 5 Schnellboote (lt. Wiki sind es 8), die Frankreich wegen eines Waffenembargos, das de Gaulle noch verhängte, zurückgehalten hat, zu entwenden. Als man dies bemerkte (besser bemerken wollte), waren die Boote bereits im Mittelmeer und damit unerreichbar für die französische Marine. Mit einem Mistral-Schiff kann man sich nicht so leicht davonstehlen, nichtsdestoweniger wäre es schon wegen der Berichterstattung – eine Sondersendung würde die andere jagen – höchst interessant, zu verfolgen, ob die Franzosen es schaffen würden, sich des Schiffs wieder zu bemächtigen (ein Bismarck-Szenario schwebt mir aber nicht vor). Das I-Tüpfelchen der Show wäre, wenn auf die Frage, warum keiner in Saint-Nazaire das Fehlen des Schiffes bemerkt habe, die Bewohner antworteten, „jetzt, wo sie es sagen, fällt uns auch auf, dass es nicht mehr da ist“.

Da ist seit einer Woche die deutscher Ausgabe RTs. Mehr aber auch nicht. Vermutlich glauben sie in Russland, alle Deutschen müssen so wie Frau Merkel sein, die den Eindruck vermittelt, nichts Überflüssiges zu besitzen (das hat sie neben ihrer Fähigkeit, Kartoffelsuppe, die vielen schmeckt, kochen zu können, mit der „schwäbisches Hausfrau“ Eigen). Die Macher haben das zum Anlass genommen, darauf zu verzichten, ein Nachrichtenstudio einzurichten. Wer erwartet, ein Studio, das der Tagesschau oder Heute ähnelt, vorzufinden, wir schwer enttäuscht sein – als Kulisse dient eine großer Bildschirm, auf dem das Thema, über das gerade gesprochen wird, zu sehen ist. Minimalismus pur – während sie bei den Amis klotzen, sparen sie bei den Deutschen an allem. Für die Moderation haben sie Frauen, die gerade ihr Studium beendet haben, geholt (einen besseren Start ins Berufsleben kann es gar nicht geben). Dass die tägliche Nachrichtensendung (immer um 19:30 Uhr) trotzdem sehenswert ist, grenzt angesichts der Ausstattung an ein Wunder. Wer mehr wünscht, muss sich, so fürchte ich, gedulden – erst wenn er Ölpreis wieder jenseits 100 $ je Barrel ist, werden die Russen richtig loslegen. Bis dahin ist, wie es sich für einen Bären gehört, Winterschlaf angesagt. Wissen die Saudis nicht, dass ein Bär den Winter in einer Höhle verbringt? Die denken, sie könnten den Russen und Iranern mit ihrer hohen Produktion Schaden zufügen. Und die Amerikaner dazu zwingen, weniger Fracking zu betreiben. Wegen überhöhter Vorratszahlen, die nichts mit der Realität zu tun haben, wird die Förderung in den Staaten eh zurückgehen. Da brauchen die Scheichs mit ihrer Überproduktion nicht nachzuhelfen. Für den Fall, dass der Preis nicht steigt, haben die Russen angekündigt, im nächsten Jahr weniger Öl fördern zu wollen. Schonung der Reserven ist angesagt. Projekte werden zurückgestellt. Es sieht so aus, als ob die Russen auch im nächsten Jahr auf Obst und Gemüse aus Europa verzichten würden.

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