Ist Vater Jean der gutmütigste, ausgeglichenste und bedächtigste Bauer, den das französische Kino je hervorgebracht hat? Das Klischee sagt, französischen Bauern würden vor nichts zurückschrecken. Wenn man von ihnen hört, dann geht es um blockierte Straßen oder um Rathäuser, in die niemand mehr hinein oder hinauskommt, weil die Bauern vor deren Türen ihren Mist und ihrer Gülle abgekippt haben. So etwas würde ihm nie in den Sinn kommen. Vermutlich hat das etwas mit dem Leben des Mannes, der ihn verkörpert zu tun – Depardieu ist schließlich nicht nach Moskau, wo das Leben nie ruht, gezogen, sondern er hat sich in der tiefsten Provinz des Landes niedergelassen. Und da, in Saransk, scheint selbst den aufbrausendsten Charakteren die Metamorphose zum Buddha zu gelingen. Gerade einmal drei Jahr hat es gebraucht, aus ihm den friedfertigsten Menschen, den man sich vorstellen kann, zu machen. Statt seiner stößt sich nun sein Sohn, gespielt von Poelvoorde (das ist der Mann, der als belgischer Zöllner das Territorium seine Landes vergrößerte, indem er nachts den Grenzstein ein paar Meter nach Westen verlegte), die Hörner ab. Aber wenigstens hat er sich seine Lebensart erhalten bzw. findet sie auf seiner Fahrt in die Weingebiete wieder. Je länger die Fahrt dauert, desto mehr überwiegt der Eindruck, dass es sich bei den drei (die beiden haben sich für das mit Abstand teuerste Fortbewegungsmittel entschieden), dass die unbeschwerte Art der Franzosen, einfach das Leben zu genießen, vom Aussterben bedroht ist. Da spielt Houllebecq sich selbst, nämlich einen lethargischen und depressiven Hausbesitzer, der fast alle Räume an Gäste vermietet, spoiler! während er uns seine Familie – ich habe 6 Schlafsäcke in Erinnerung, jedoch können es auch mehr sein – auf dem Boden in einer Abstellkammer schlafen. spoiler! Und als dann noch eine junge Frau dem völlig verdutzen und überforderten Depardieu ihre Ängste schildert (die Szene ist wirklich genial – schon nach drei Wörtern musste ich lachen, obwohl diese tieftraurig ist) hat meine dunkle Ahnung konkrete Gestalt angenommen – der Film geht mit der Einsparpolitik, die die Deutschen den Franzosen aufgezwungen haben, hart ins Gericht. Wer beim Sehen auf den Gedanken kommt, dass die Stimmung der Menschen während der Besatzung im 2. Weltkrieg besser gewesen sein muss, dem ist das Gleiche wie mir widerfahren. Da die Franzosen, wie bereits angedeutet wurde, in der Lage sind, bitterernste Themen humorvoll darzustellen, braucht niemand zu fürchten, dass während der Vorstellung Tränen fließen könnten.
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