Als ich mich heute noch einmal daran machte, im Netz die Quelle einer Meldung zu finden, die ein Radiosender, den ich morgens immer höre, vorgestern früh ausstrahlte, hatte ich mich, da meine gestrige Suche erfolglos blieb, schon gedanklich von diesem verabschiedet – es konnte nur eine Ente bzw. ein Scherz sein, denn wie sonst ließe sich erklären, dass niemand darüber schrieb, dass der Prozentsatz der Katholiken, die beim letzten Weihnachtsfest „betutelt“ waren, doppelt so hoch wie jener der Protestanten war? Zwei gute Nachrichten innerhalb eines Monats? Wann hat es das für die katholische Kirche zum letzten Mal gegeben? (Die Eroberung Amerikas liegt lange zurück).
Falls Sie nicht wissen, wie die erste Nachricht lautet – der Papst twittert, das seit dem 12.12. mit immensem Erfolg, was jedem Twitterer, der auf dessen Account schaut, neidisch werden lassen muss. Gerade mal 14 Tweets bzw. Pieps hat es bedurft, um 1.3 Millionen Anhänger zu gewinnen. Und da er nicht einmal jeden Tag zu piepsen bzw. zu twittern brauchte (vier Tage reichten), müsste sich mir eigentlich die Frage stellen, wie es möglich sein kann, dass sich so viele Leute für so wenig Inhalt – der Papst sendet, wie wohl die meisten nur Zweizeiler – interessieren. Komischerweise juckt mich das überhaupt nicht. Es würde auch keinen Sinn machen, dies ergründen zu wollen. Den Erfolg Twitters betrachte ich als Wunder, von dem aber man keine Heilung eines Gebrechens erwarten sollte. Vielmehr ist dessen Siegeszug das Außergewöhnliche. Was ist an Twitter auszusetzen habe, ist, dass Twitter in Deutschland nicht Piep heißt. Der Satz „Sie haben einen Piep“ bekäme dann eine neue Bedeutung. Und die Gerichte mehr Arbeit. Die Anglisierung der deutschen Sprache hat eben auch Vorteile.
Nun aber zurück zu den „betulteten“ (warum steht das Wort, das am wohlmeinendsten jemanden, der zu tief ins Glas geschaut hat, beschreibt, nicht im Duden!) Christen – die Meldung stimmt, jedoch sind es weitaus weniger, als ich vermutet hatte (ich muss den Sender nicht wechseln). Gerade mal 6 % der Katholiken räumten ein, beim letzten Fest einen Palimpsest (für die Nicht-Mediziner: Filmriss) erlitten zu haben. Diese Zahl wird die Atheisten nicht beeindrucken, geschweige denn dazu führen, dass viele, die sich von der Kirche losgesagt haben, wieder in ihren Schoß zurückkehren. Sollte ich im nächsten Jahr befragt werden, bleibt mir darum nichts anderes übrig, als zu lügen – ja, ich war betrunken. Nur Heiligabend bin ich nüchtern gewesen. Dass ich nicht mit gutem Beispiel vorangehen kann, liegt am Fernsehprogramm. Heute Abend kommt Gauck, nach dessen Reden (dieser Blog enthüllte es) niemand mehr so genau weiß, über was er eigentlich gesprochen hat. Deshalb ist höchste Konzentration angesagt. Der Presse war zu entnehmen, dass er auf menschliche Kulissen – der Plan seines Vorgängers, mit Hilfe dieser im Amt zu bleiben, ging nicht auf – verzichtet habe. Nur eines hat er von Wulff übernommen – er spricht im Stehen. Das Alter will es so. Wäre Gauck Rentner, würden ihm in der Straßenbahn ein Sitz angeboten werden. Als Bundespräsident jenseits der 70 muss jedoch stets zeigen, dass er fit ist. Frau Merkel wird, wenn sie dessen Alter erreicht hat, ihre Neujahresansprachen nicht mehr im Sitzen abhalten können. Stehen ist dann angesagt. Mitleid halte ich für unangebracht. Der Ronald Reagan der Deutschen ist nämlich gerne Präsident.
Spätabends kommt dann „Shutter Island“, den ich mir nicht im Kino angeschaut habe, was ich heute umso mehr bereue, hätte ich doch zwei Traumwelten – einmal jene des Films, dann meine eigene – erleben können. Beim ersten Mal will in den Film einigermaßen nüchtern sehen.
Wäre letzten Sonntag schon Weihnachten gewesen, hätte ich allen Grund gehabt, mich zum Wohle der Christenheit (für den Fall, dass ich befragt werde) zu „betuteln“ – Hauptwachmeister Krause (Polizeiruf) ist zum puren Erfüllungsgehilfen degradiert worden. Seine Markenzeichen, altmodischer Helm, Motorrad-Gespann, Hund, stehen für Eigenständigkeit und ein Handeln auf eigene Faust. Das ist nun vorbei. Krause wurde an die Kandare genommen. Dessen Outfit hält nicht mehr das, was es verspricht. Er ist nun stinknormaler Polizist, was den Unterhaltungswert des Krimis steil nach unten rauschen lässt. Ich hoffe, die Macher ändern ihr Konzept. Der ehemaliger VoPo (bizarr, aber die Logik lässt keinen anderen Schluss zu) darf nicht so in Rente gehen.