Was hätte ein Medici gemacht?

Würden die Deutschen Draghi gern haben, wenn er Medici hieße? Sicherlich, denn der Familienrat hätte ihm bestimmt nicht erlaubt, einen Job bei Goldman Sachs anzunehmen. Stattdessen hätte er – wie alle seine Vorfahren, die der Versuchung widerstanden, Kardinal zu werden oder in die Politik zu gehen – für die Banco Medici gearbeitet, die wegen des Rufs, den die Medicis in der Welt genießen, gar keine Bank im herkömmlichen Sinne mehr sein könnte. Nein, nach Florenz würden die Reichen kommen, um einen Teil ihres Vermögens des Prestiges wegen einem Haus anzuvertrauen, das sich der ethischen Geldvermehrung verschrieben hat. Es versteht sich von selbst, dass ein Teil des Gewinns in Kulturprojekte jedweder Art ginge. Und natürlich würden die Medicis auch ordnungsgemäß Steuern abführen. Die Bank ging 1494 Pleite. Die Familie hielt sich wesentlich länger – der letzte, aufgrund dessen Schaffens Wiki nicht umhin kam, ihn aufzuführen, verstarb 2000.

Da das „Bänkeren“ (lieber Duden, bitte das neue Verb wegen Verdeutschung übernehmen) zu den Tätigkeiten gehört, die vom Vater an den Sohn weitergegeben werden, ist unter der heutigen M-Generation mit großer Sicherheit jemand zu finden, der Draghis Posten einmal übernehmen könnte (natürlich darf er nichts mit Goldman zu tun haben). Selbstverständlich würde er auch alles Kulturelle und Schöngeistige fördern, was zur Annahme verleitet, ein M in Frankfurt hätte sich mit dem Kauf von Anleihen jener Staaten, die hohe Zinsen zahlen müssen, leichter getan. Draghi ist kein M, und obwohl er knallhart ist – das „Outright Money Transaktion“-Vehikel setzt sich nur in Gang, wenn sich die betroffenen Länder verpflichten, noch mehr zu sparen –, dürfte seit gestern die Zahl derer, die ihn mögen, weiter gesunken sein. Ich gehöre zu den 2 oder 3 (um mir Mut zu machen, nehme ich an, dass es Leute geben muss, die meiner Meinung sind), die glauben, dass angesichts der drakonischen Bedingungen kein Land darauf erpicht ist, Hilfe von der EZB zu erhalten.

Sowohl Finanzbeamte als auch Banker wissen, ab welchen Zinssätzen eingegriffen werden muss. Vermutlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis diese überschritten werden. Wegen der Gewissheit, dass vorerst kein Land den Euro verlassen wird (kann?, darf?), sind die Zinsen runtergegangen. Hat sich der „Markt“ rational verhalten? Ich glaube, dass weiß niemand. Wenigstens ist erst einmal wieder Ruhe eingekehrt.

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