Untergang mit Mandolinen „The Grand Budapest Hotel“

Mal wieder die Russen, im speziellen das Alexandrow-Ensemble und Bilder, auf denen feiernde Sowjetsoldaten zu sehen sind – als ich gestern aus dem Kino ging, war ich festen Glaubens, die Mandolinen, die Wes Andersen immer hat spielen lassen, wenn er die Handlung (noch) schneller machen wollte oder eine spannende Szene sich anbahnte, sollten zeigen, wer letztendlich die alte Welt, von der bis 1914 niemand dachte, sie könnte untergehen, endgültig auslöschte – einfache Soldaten, die ihr Leben auf Spiel gesetzt haben. Glücklicherweise habe ich noch einmal Wiki befragt. Zu meiner Überraschung erfuhr ich, dass sich schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Menschen einem Wahn hingegeben haben – viele waren verrückt nach diesem Instrument. Vermutlich war diese Obsession zu harmlos und das Geschehen, das dem ersten Wahn folgen sollte, zu brutal und grausam, um im Gedächtnis der Menschen haften zu bleiben. Ich bin mir nicht sicher, ob aufgrund dieses Wissens, über das Anderson zweifellos verfügt, unbedingt naheliegend ist, auf die Idee zu kommen, auch ein Mandolinenorchester im Jahr 1932 – da war jene Epoche, deren Charakter Monsieur M. Gustave H. (Ralph Fiennes) eindrucksvoll verkörpert, bei den meisten ein Relikt aus Tagen, die nicht mehr wiederkehren würden – spielen zu lassen. Ich bin ihm dankbar, dass er es getan hat. Desplats Musik ist wirklich hörenswert. Nur eines hätte ich zu bemängeln – wegen mir hätte das Orchester an manchen Stellen noch markanter, sprich lauter lauter sein können.

Willkommen im „Grand Budapest Hotel“, wo oben erwähnter Monsieur Sie heute für ein Fünftel dessen, was Sie vor 82 Jahren hätten zahlen müssen (inflationsbereinigt), noch einige Zeit (in Halle sind es drei Wochen) empfängt. Er führt Sie nicht nur durch besagtes Hotel (malerische Lage auf einem Berg in der Nähe Nebelsburgs, was dessen bunte Fassade erklärt), sondern zeigt Ihnen auch Zubrowka in allen seinen Facetten. Noch beeindruckender als die Landschaft ist dessen Gabe, sich dank seines Geschicks und seiner Raffinesse (um nur zwei herausragende Fähigkeiten zu nennen) aus jeder schwierigen Situation mit Stil, Würde und Charme herauswinden zu können. Dementsprechend groß ist auch sein Selbstbewusstsein, das sich durch nichts erschüttern lässt. Neben Englisch spricht er auch Französisch. Aus seinem markigen und akzentfreien „Abfahren“ ist zu vermuten, dass er auch die deutsche Sprache perfekt beherrscht. Wer unter ihm das Hotelhandwerk von der Picke auf lernte, konnte sich sicher sein, es später in diesem Gewerbe bis ganz weit nach oben zu schaffen. Wenn die Zeiten nur anders gewesen wären. Viele, die Ihnen in Zubrowka begegnen, werden Ihnen bekannt vorkommen. Es lohnt sich, dieses surreale Land, dass immer wieder neue Überraschungen bietet (Architekten, Visionäre sowie jene, die sich an Farben erfreuen, können sich richtig satt sehen), und dessen Bewohner kennenzulernen.

Was würde wohl Stefan Zweig, dessen Werke Andersen anregten, den Film zu drehen, darüber sagen? Ich glaube, er war konservativer als dessen Werk es vermuten lässt. Andersons Pop-Welt ist nicht jedermanns Geschmack. Hier gibt es, Gott sei dank, nur künstliche Kulissen.

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