Schade, dass wir nicht mehr Papst sind

Wir waren Papst, und spätestens als ich gestern las, dass sich auf dem Heimflug Franziskus‘ herausstellte, er würde das „In-flight Entertainment“ sein, bedaure ich, dass wir nur Papst sein können, wenn dieser Deutscher ist, wobei ich einräumen muss, dass ich ursprünglich gar kein Papst sein wollte, irgendwie dann aber doch einer geworden bin und ich auch nach Benedikts Rücktritt bzw. nach dem ersten Auftritt des neuen Pontifex maximus gern einer geblieben wäre. Die Meinungsmacher der hiesigen Medien sehen das leider anders – ginge es nach ihnen, dürfen wir nicht mehr Papst sein.

Und da sie Erwachsenen das Papst-Sein nicht verbieten können, müssen sie zu subtileren Mittel greifen, bspw. in dem sie kaum noch über ihn berichten, darum auch, was ich noch schlimmer finde, kein deutscher intimer Kenner des Vatikans den Auftritt des Papstes bezeugen kann, also selbst Matussek – nur die Absurdität des Gedankens, er könne heimlicher Pressesprecher Benedikts gewesen sein, hält mich davon ab, daran zu glauben – nicht dem denkwürdigen Auftritt beiwohnen durfte. Wie hätte ich mich darauf gehört, aus seiner blumigen und etwas schrulligen Feder zu erfahren, was sich über dem Atlantik abgespielt hat. Wegen Matusseks Artikel „Hippie in Jesuslatschen“ hätte sich der Papst sicherlich noch mehr ins Zeug gelegt. Ein Hippie mit Humor? So einer ist mir noch nie begegnet. In Filmen und Sitcoms lachen die Leute nur über sie, nicht aber mit ihnen. Bedauerlicherweise hilft ihnen ihre unbestrittene Musikalität – das Klischee sagt, dass alle Hippies Gitarre spielen können – nicht weiter. Der Papst unterhielt die Journalisten ohne Instrument.

Die Fernseher in den Sitzen blieben aus. Bedauerlicherweise kennt der Duden das Wort „Bordunterhaltung“ nicht. Ihm ist nur das „Bordkino“ geläufig. Da aber die Flugzeuge über kein Kino im herkömmlichen Sinne verfügen, hat sich Wiki verpflichtet gefühlt, die englische Bezeichnung zu verwenden bzw. unter dieser zu erklären, was man auf den Bildschirmen in den Rücklehnen sehen kann. (Mir blieb nicht anderes übrig, als Wiki zu folgen.) Das kann den Franzosen nicht passieren, die haben schließlich die Académie française, die, so vermute ich, die Fluggesellschaften angewiesen hat, diese Art der Unterhaltung als « Divertissement à bord » zu bezeichnen. „Zerstreuung an Bord“ klingt selbst im Deutschen gut, „Ablenkung an Bord“ fände ich aber noch besser, jedoch ist es so gut wie ausgeschlossen, dass eine der beiden Bezeichnungen in den Duden aufgenommen wird. Das ist undeutsch, unpreußisch (steht nicht im Duden) und unprotestantisch (findet sich ebenfalls nicht im Duden). Vermutlich kann sich nur eine Nation, in der Katholiken das Sagen haben, solche Begriffe leisten.

Vielleicht gehe ich etwas zu harsch mit den Deutschen ins Gericht. Vielleicht liegt es an deren Mehrdeutigkeit. Was ist, wenn ein Passagier (sozusagen ein zweifach Zerstreuter) statt der Toilettentür die Ausstiegsluke öffnet? Oder ein Pilot (wenn nicht fernsieht, handelt es sich um einen einfach Zerstreuten) das Flugzeug zum falschen Flughafen steuert? Es ist also gut möglich, dass ein „Zerstreuung an Bord“- System die Passagiere beunruhigen würde. Ein „Ablenkungssystem“ machte sicherlich den Fluggästen weniger Angst. Das Gefühl der Behaglichkeit würde sich bei ihnen trotzdem nicht einstellen wollen (erinnert sei an die vielen Unfällen, die passiert sind, weil jemand abgelenkt war). Unter diesen Gesichtspunkten ist es verständlich, dass der Duden sich schwertun, neue Wörter aufzunehmen.

Dafür fällt es ihm leichter, nicht mehr gebräuchliche herauszunehmen. Karasek hat darüber geschrieben („Das Ende des Buschkleppers“ – bei der Berliner Morgenpost gegen Bezahlung einzusehen). Vor der Wochen, als der Artikel erschien, konnte ich mich noch nicht ganz in die Dudenwelt Karaseks hineinversetzen, seit gestern bin ich richtig froh, dass ich meinen alten Duden (der hat gleich mehrere davon) nicht weggegeben habe (ein „VEB-Duden“ aus dem Jahr 1988). Mir kam in den Sinn, „Zeitkino“ (ein Kino, in dem ununterbrochen ein Film läuft) nachzuschlagen. Leider konnte ich das Wort nirgendwo finden. Mein Duden kennt das Wort noch.
Höchste Zeit, eine Akademie zu gründen, die Wörter vor dem „Aussterben“ bewahrt.

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