„Our man“ – von einem, der nicht panisch wird („All is lost“)

Ein 50 x 20 cm großer Riss knapp über der Wasseroberfläche – zu Nelsons Zeiten hätte der Erste Schiffszimmermeister jemanden, der im Begriff war, dieses Handwerk zu erlernen, damit beauftragt, ein Loch dieser Größe nach den Regeln des besagten Gewerbes zu flicken. Natürlich hätte er nicht darauf verzichtet, zu kontrollieren, ob dieser alles richtig gemacht hat. Und selbst auf Schiffen, die, da sie viel zu klein waren, keine Schiffszimmermänner und Kalfaterer hatten, dürfte jemand in der Lage gewesen sein, das Boot wieder seetüchtig zu machen. Das war, als die Segelschiffe noch aus Holz waren, sich niemand alleine auf den Ozean wagte und Baumstümpfe als einzig gefährliches Treibgut auf hoher See galten. Diese Zeiten sind längst vorbei.

Heute fürchten selbst die Kapitäne der großen Pötte nichts mehr, als mit ihren trägen Stahlkolossen in voller Fahrt auf einen Container, der sich, als ihn ein Schiff verlor, geweigert hat, unterzugehen, zu treffen. Beneidenswert, wer angesichts dieser und anderer Gefahren während eines Allein-Törns ruhig schlafen kann. So fest, dass er nicht einmal hört, dass sich nachts ein Container in sein Boot verkeilt hat. Nur wenige Augenblick braucht „Our Man“ Robert Redford, um zu begreifen, was vorgefallen ist. Und dann ist er schon auch in seinem Rhythmus, den er bis zum Ende des Films beibehalten wird. Nie gerät er außer Takt, selbst in Situationen, die für ihn lebensbedrohlich sind, behält er ihn bei. Das erinnert mich an Jan Ullrichs beste Zeiten – ruhig, gleichmäßig und elegant pflegte der, in die Pedalen zu treten. Dabei war es völlig egal, ob es auf den Mount Ventoux ging oder ob ein Einzelzeitfahren anstand. Ist das nicht langweilig?

Ganz und gar nicht. Der Film ist spannender als die meisten Thriller. (Die Geräusche, das das Boot, das dem Untergang geweiht ist, abgibt, sind echt gruslig.) Angesichts vieler spannender Szenen, sowie der Abenteuer, die der Regisseur seinem einzigen Protagonisten aufgebürdet hat, bleibt ihm gar nichts anderes übrig, als seinen Helden fast immer wohlüberlegt handeln zu lassen. Panik ist Redfords Ding also nicht. Kopflosigkeit auch nicht. Bestimmt und unaufgeregt geht er die Dinge an. Genau das macht ihn glaubwürdig. Ob „Alls is lost“ deswegen auch als Lehrfilm für angehende Segler taugt, kann ich als Laie nicht beurteilen (man kann ja auch aus Fehlern lernen). Sentimentale und wehmütige Szenen kommen, völlig untypisch in diesem Genre, fast nicht vor. Nichts gibt „unser Mann“ Preis. Sogar seine Gedanken nicht. Nur einmal wird deutlich, dass er Angehörige haben muss. Da Redford mit letzter Energie gegen alle Gefahren und Widrigkeiten angekämpft hat, ist es am Ende fast egal, was für ein Schicksal ihn erwartet – er ist grandios und überzeugt auf ganzer Linie.

Die einzige Frage, die mich noch umtreibt, ist, ob man im Alter so abgeklärt wie Redford wird.

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