Ostern mal anders

Die Programmgestalter der ARD müssen, als sie die Filme für das Osterfest aussuchten, geahnt haben, dass dieses Fest unter einem ganz besonderen Stern stehen wird, denn die Wahl des Films „Schmeiß die Mama aus dem Zug“, der am Gründonnerstag bei einsfestival lief, hat trefflich die die Sehnsüchte vieler Menschen zum Ausdruck gebracht – diesmal stand nicht das Suchen im Mittelpunkt, sondern es ging ums Loswerden. Nun ist es nicht so, dass bis auf Weiteres ab heute Beerdigungen bis spät in die Nacht hinein stattfinden werden. Nein, die meisten hatten darauf gehofft, dass über Ostern der Schnee, so wie es ihnen in der Schule von keinem geringeren als Goethe versprochen wurde, verschwunden sein wird. Stattdessen gab es am Karfreitag und gestern neues Weiß. Eine Besserung ist nicht in Sicht. Bis Mitte April müssen wir noch das Februarwetter ertragen.

Ist der Wunsch, der Winter möge endlich weichen (da fällt mir ein, dass Karl Valentin alle „Vier Jahreszeiten“ mochte), verständlich, wirkt das Ansinnen, die Rolling Stones wegen ihres Alters in Rente zu schicken, angesichts des Runs zu deren Konzerten – nach nur wenigen Minuten sind diese ausverkauft – noch tollkühner als deren Bühnenshow, nichtsdestoweniger kann ich Morleys Forderung durchaus etwas Gutes abgewinnen, wobei mich überrascht, dass er schon 1980 Jagger aufforderte, abzutreten, um der neuen Generation Platz zu machen. Im Osten hätte das wohl niemand verstanden, wenn die Stones seinem Rat gefolgt wären. Er wünscht sich eine Gegenkultur, jedoch weiß er nicht so recht, wie diese aussehen soll. Vermutlich wird das etwas sein, was sich zur Zeit niemand vorstellen kann – bspw. ein Konzert, bei dem es nichts zu Hören gibt und wo die Besucher verpflichtet sind, zu schweigen. Da ich glaube, vor dem Internetzeitalter im Spiegel gelesen zu haben, dass zu Mozarts Zeiten die Menschen mehr Töne wahrnehmen konnten, würde die Stille sicherlich die Hörfähigkeit vieler verbessern helfen.

Neben den Stones soll sich auch „Königin Merkiavelli“ zurückziehen. Ein führender deutscher Sozialwissenschaftler (Beck) fordert das. Aber wer sind die Medici, die sie stürzen? Irgendwie ist es grotesk, dass sich niemand finden will, der ihr Paroli bieten kann. Es scheint, als seien alle paralysiert. Bemerkenswert ist, dass ein deutscher Comedian (Wehn), der in London arbeitet, über die Deutschen, wenn auch indirekt, sagt, sie haben keinen Geschmack (bezieht sich auf die hier produzierten Fernsehserien), Ich bin fast geneigt, ihm recht zu geben, zumal die Filme auch nicht besonders gut sind, was ARD und ZDF nicht davon abgehalten hat, zu Ostern nachmittags und abends fast nur deutsche Produktionen auszustrahlen. Wie gut, dass 3Sat dagegenhielt. Kann ein Land auf Dauer überhaupt die Führungsposition einnehmen, wenn sich nur wenige für dessen Kultur interessieren (die Kolumne berichtete vor langer Zeit)? Kultur-Exportweltmeister sind wir jedenfalls nicht.

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