Warum regt sich Halle nur so über den Spiegel auf?

Wenn beim Simulieren des Ausfalls der Stromversorgung festgestellt wird, dass sich innerhalb weniger Sekunde das Notstromaggregat anschaltet, sind die Prüfer vom TÜV nebst Betreibern der Einrichtung vor Freude völlig aus dem Häuschen, ich darum Halle für die Wartung seiner „Empörungsmaschine“, die zu Ostern in Windeseile ihre Höchstleistung erreichte (und diese immer noch hält), eigentlich loben müsste, mich aber dazu nicht so recht imstande sehe – für meinen Geschmack hätte sie gar nicht anzuspringen brauchen. Wenn sie wenigstens nicht mit voller Drehzahl laufen würde.

Es geht um Diaby, der mit ziemlicher Sicherheit der erste Schwarze sein wird, der in den Bundestag einzieht (steht ziemlich weit oben auf der Landesliste). Lt. Spiegel, der ihm 2 von 3 Spalten einer Seite widmete, sei dies ein Experiment, da Halle als Hochburg des Rechtsradikalismus in Deutschland gelte. Mit „Das Experiment“ wird der Artikel auch aufgemacht. Neid, da der erste Dunkelhäutigen im Reichstagsgebäude aus dem Osten kommen wird? Ich frage mich, wie der Spiegel darauf kommt, dessen Wahl als Experiment zu bezeichnen. Aus der normalsten Sache der Welt macht das Magazin etwas Besonderes. Dabei ist es doch völlig egal, wo er kandidiert. Eben nicht für den Spiegel, der einen anderen Titel (einen, der keine Zweifel zuließe) wählen würde, wäre ein Schwarzer in Hamburg oder München zur Wahl angetreten. In Halle ist es aber ein Experiment, also ein Wagnis, ein unsicheres Unternehmen (bietet der Duden an). Als Begründung führt die Autor Rechtsradikale, die es hier en masse geben soll, an. Dabei ist doch „Hochburg“ ein relativer Begriff – er sagt nichts über die absolute Stärke aus. Die NPD bekam bei der letzten Wahl etwas mehr als 3 Prozent der Stimmen. Hat sie in anderen Wahlkreisen weniger Stimmen bekommen? Nein. Es gibt sogar Kreisen, in denen sehr viel mehr für die NPD stimmten. Vermutet der Spiegel hier eine zweite NSU? Wenn ja, dann sollte er es uns mitteilen. Diaby würde wohl auch nicht antreten, wenn er nicht überzeugt wäre, seiner Arbeit im Bundestag nachkommen zu können. Angesichts der dürftigen Argumentation – der Spiegel liefert nichts, was darauf hindeutet, dass Diaby scheitern könnte – lohnt es sich wirklich nicht, sich darüber aufzuregen. Die meisten Spiegel-Leser werden das genauso sehen. Wegen des Aufschreis in den lokalen Medien könnten Fremde an das Sprichwort mit dem Hunden, die bellen, wenn man sie trifft, denken. Ein viel besseres Mittel, sein Missfallen auszudrücken, wäre, sein Unverständnis über die hanebüchenen Thesen des Autors zu bekunden. Halle ist aber nur auf seinen Ruf bedacht, die Stadt fürchtet, Studenten könnten woanders studieren. Haltet es wie Brecht – „ist der Ruf erst ruiniert, lebt’s sich völlig ungeniert“.

Armer Peer Steinbrück – selbst über seinen harmlosen Vorschlag, beim Schulsport Mädchen und Jungen zu trennen, zerreißen sich dessen Gegner die Mäuler (das sei gegen die Gleichberechtigung, und das von der CDU). Warum schafft man da nicht die Mädchenschulen ab? Wer eine solche Schule besuchte, gehört zu den wenigen, die später wenigstens annähernd so viel wie ein Mann verdient.

Nachtrag: Um nicht den Eindruck zu vermitteln, in Halle gäbe es keine Vorurteile bzw. alle würden diese verbergen – aufgrund seiner Hautfarbe ist einmal angegriffen worden. Letzteres kann auch „weißen“ Hallensern widerfahren (äußerst selten, und dann meistens aus heiterem Himmel und am helllichten Tage, was psychologisch wesentlich leichter zu verkraften ist). Komischerweise geht der Autor nicht auf die Alltags-Gemeinheiten ein. Dass Diaby dennoch antritt, ehrt ihn. Nichtsdestoweniger bleibt der Eindruck, dass der Verfasser, Repinski, maßlos übertreibt (aus den zwei Jugendlichen, die ihn, als er Student war, nachts attackierten und jagten, werden im darauf folgenden Abschnitt „seine Mitbürger“). Wenn aufgrund eines nicht autorisiertes Interview Diabys, das die „Junge Freiheit“ veröffentlichte, deren Leserschaft sich berufen fühlt, ihn mit Schmähbriefen zu überschütten (diese kamen, so vermute ich, aus ganz Deutschland), könne, so glaubt der Autor zu wissen, Wahlkampf in Halle nur schwer möglich sein. Unsinn!

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2 Antworten zu Warum regt sich Halle nur so über den Spiegel auf?

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