Olympia – macht es Sinn, sich herauszuhalten?

Fliegt Gauck doch? Bereut er, abgesagt zu haben? Da ich der einzige (und damit der erste) bin, der sich das fragt, wohl eher nicht. Sollte die Öffentlichkeit über diese Fragen in den nächsten Wochen diskutieren, gebe ich, bescheiden wie ich bin, jetzt schon zu, mich nicht als Messias zu fühlen, geschweige denn einer zu sein. Hätte ich mich nicht im Datum geirrt – im Kino kurz vor 20:00 Uhr stellte sich heraus, dass das Stück einen Monat später läuft –, wäre mir sicherlich nicht eingefallen, über Gauck, Wolgograd, Sotschi, den I. Weltkrieg und Augstein zu schreiben. Da ich bei Irrtümern wie diesem immer in Selbstironie zu ertrinken drohe, zu allem Überfluss noch der Film „Die rote Herberge“ ausgestrahlt wurde, ist es mir erst erst einen Tag später, ausgerechnet zu Silvester, in den Sinn gekommen, mich mit diesem heiklen Thema zu beschäftigen.

Müsste Gauck angesichts zweier verheerenderer Terroranschläge in Wolgograd nicht seine Haltung, (angeblich) wegen diverser Menschenrechtsvergehen und eines homophoben Gesetzes die Olympischen Spiele in Sotschi zu meiden, überdenken? Und Merkel mit? Wäre es nicht die Pflicht führender Politiker, zu zeigen, dass man sich nicht einschüchtern lässt? Was wäre besser, als gemeinsam der Eröffnungsfeier beizuwohnen? Vor einer Woche war es noch ziemlich egal, wer die Spiele besucht. Die Aufregung über Gaucks Absage hatte sich längst gelegt, auch weil viele seinem Beispiel folgten. Dank der deutschen Medien, die trotz besseren Wissens so tun, als wären die beiden Anschläge eine rein russische Angelegenheit, hat sich daran nicht viel geändert. Fast habe ich den Eindruck, dass es ihnen ausschließlich darum geht, zu zeigen, wie unsinnig es war, die Spiele nach Sotschi zu vergeben. Nach dem Motto selbst schuld – wer Terroristen im Land habe, sollte lieber keine Spiele organisieren. (Wenigstens kann ich ausschließen, dass sich die Medien für München, das sich mehrmals umsonst für die Winterspiele beworben hat, rächen wollen.)

Dabei wissen wir doch, dass ohne dem Geld der Saudis es kaum Dschihaidisten und damit Terroranschläge geben würde. Das ist im Kaukasus nicht anders als in Syrien. Die Politiker drücken sich vor dieser vor dieser Erkenntnis bzw. wollen das nicht wahrhaben. Wenn sie sich dessen bewusst wären, würden sie alle nach Sotschi kommen. Putin könnte, wenn er klug ist, dann auf den Gebrauch martialischer Worte (gestern war in großen Lettern das Wort „Ausradieren“ zu lesen) verzichten. (Hätte das ein deutscher Politiker gesagt, wäre überall zu lesen und zu hören, er würde die „Stammtische“ bedienen. Ich weiß nicht, ob es derartige Tische auch in Russland gibt. Wenn ja, würde ich wissen wollen, wer an denen sitzt. Übrigens würde ohne die Kohle der Scheichs Deutschland keine Dschihadisten mehr „exportieren“.)

Müssten wir Angst um unsere Politiker haben? Ich denke nicht. Lt. Spiegel sollen 50.000 Sicherheitsleute für Ruhe und Ordnung sorgen. An denen kommt kein Attentäter (vermutlich wären es mehrere) vorbei. (Es sei denn, die Saudis hätten alle bestochen.) Und da hochgestellte Persönlichkeiten, vom Papst mal abgesehen, sich nicht mehr so leichtsinnig wie Franz Ferdinand, der, wäre er im Rathaus von Sarajevo geblieben, den I. Weltkrieg verhindert hätte, verhalten, beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass sie keinem Attentat zum Opfer fallen, immerhin fast 99 Prozent. Zum Glück lösen Attentate keine Kriege mehr aus. Und einen Weltkrieg schon gar nicht. (Angesichts der immensen Sicherheitsmaßnahmen würde ein Zyniker nun sagen, die Politiker von heute würden ihre Bedeutung überschätzen.) Womit ich bei Augstein wäre, der glaubt, wegen Frau Merkel und den Chinesen könnte sich die Geschichte wiederholen. (Auf die Fortführung meiner Argumentationskette verzichte ich lieber.) Natürlich ohne konkret zu werden (er verzichtet, uns Szenarien aufzuzeigen). Da der Spiegel eine Serie, die auf die heutige Situation Bezug nimmt, zum I.Weltkrieg startet, ahne ich Schlimmes – statt Wagner und Verdi gibt es in diesem Jahr Hindenburg und Clemenceau. Da ist es gut, sich auf die Seite der Sieger zu schlagen. Bei denen ist der Krieg noch kein Thema.

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Eine Antwort zu Olympia – macht es Sinn, sich herauszuhalten?

  1. Gianna sagt:

    This really answered my drawback, thank anyone!

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