Löws Taktik der Einschüchterung könnte wirken

Ausgerechnet als es schien, als würden die Griechen Land sehen, trat das ein, was ihnen der Karikaturist des Independents prophezeit hat – nach Khediras Tor, das die Deutschen wieder in Führung brachte, waren die Hellenen plötzlich der Halluzination erlegen, nur noch Merkels gegen sich zu haben. Das verwundert nicht, war es doch das technisch bisher anspruchsvollste Tor bei dieser EM – der Mann in Diensten Reals preschte in eine Flanke, die über Freund und Feind hinwegflog, um den Ball mit dem rechten Fuß volley in Brusthöhe seines Gegenspielers, der verdutzt zuguckte, zwei oder drei Meter vorm Fünfmeterraum über den Torwart ins Netz zu hauen. Keine Ahnung, wie er das gemacht hat. Statt weit über das Tor zu gehen, landete der Ball im Netz. Zu diesem Zeitpunkt, es war die 60. Minute, deutete nicht viel darauf hin, dass sich die Deutschen vom Ausgleich, den sie fünf Minuten zuvor völlig überraschend kassierten, bereits erholt hätten. Ausgerechnet mit ihrem ersten gefährlichen Vorstand gelang es den Griechen, das Spiel wieder spannend zu machen – Samaras, der vor Boateng an Salpingidis Eingabe kam, spitzelte den Ball im Liegen an Neuer vorbei ins Tor. Zuvor waren die Deutschen dank Lahms beherzten Schuss von der Strafraumgrenze in Führung gegangen. Ein guter Torwart hätte den Ball gehalten. Beim 3. Tor stand der griechische Torwart dann völlig neben sich – statt im Tor zu bleiben (Kloses Kopfball hätte er locker gehalten) kam er heraus, um meilenweit daneben zu greifen. Selten habe ich in letzter Zeit eine derart verkorkste Abwehr gesehen (früher war dafür Walter Junghans zuständig). Damit war das Spiel gelaufen. Das vierte Tor, diesmal war der Tormann am Abpraller, den Reus von halblinks ins rechte Eck hämmerte, schuldlos (es war schon erstaunlich, dass er Kloses Schuss überhaupt parierte). Dass Boateng dann noch einen Handelfmeter verursachte, dürfte kein Zufall gewesen sein – er war heute nicht der aufmerksamste, machte aber seinen Fehler, der eigentlich keiner war (es dürften nur Zehntelsekunden gewesen sein, die er zu spät kam), mit der Flanke, die Khedira so spektakulär nutzte, alles wieder gut. Mein Fazit – Löws Taktik, heute auf Gomez, Podolski und Müller zu verzichten, ist voll aufgegangen. Eine Mannschaft, die es sich leisten kann, auf zwei Leute, die immerhin vier Tore geschossen haben, zu verzichten, muss die Konkurrenten beeindrucken. Das war wohl auch der Sinn seines Plans – er wollte die kommenden Gegner in Angst und Schrecken versetzen. Sollte es mit dem Titel klappen, ist ihm ein Coup, der Herbeggers Finte, 1954 in der Vorrunde gegen die Ungarn nur mit der zweiten Garnitur anzutreten, in nichts nachsteht. Der Sieger aus dem Match England gegen Italien (sonntags) darf sich erst gar nicht über sein Weiterkommen freuen. Spätestens am Montag soll im Siegerteam das große Zittern einsetzen. Mal sehen, ob es funktioniert.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert