Heesters, Wulff und Bollywood

Während Frank Sinatra nachgesagt wird, dass die GIs ihn im II. Weltkriegs gehasst hätten – weil er viel Geld verdiente sowie auf Fotografien immer mit schönen Frauen zu sehen war, soll sogar noch verhasster als Hitler gewesen sein –, ist nicht bekannt, was deutsche Soldaten über Heesters, der sich an der Heimatfront abrackerte und gelegentlich auch Vorführungen in der Etappe gab, dachten. Gut möglich, dass er genauso unbeliebt wie Sinatra war, andererseits könnte ich mir auch vorstellen, dass ihn die Soldaten mochten, da er als Ausländer, der trotz der Okkupation seiner Heimat die Deutschen unterhalten hat, ihnen das Gefühl gab, man könne sie leiden. Hat Goebbels etwa die Anweisung gegeben, Heesters immer ohne Frauen abzulichten? Vermutlich haben sich die deutschen Soldaten während des Krieges gar nicht für ihn interessiert. Eine befriedigende Antwort darauf wird es nicht geben, was ich sehr bedaure, da eine solche mich in die Lage versetzen würde, mir den Erfolg, den „Jopi“ Zeit seines Lebens genoss, zu erklären bzw. diesen entsprechend zu würdigen (natürlich habe ich noch mehr Fragen). Im Moment habe ich das Gefühl, dass er von Medien dafür geehrt wird, den Menschen gezeigt zu haben, dass sie 108 Jahre werden können – und das ohne Verlust an Lebensqualität. Menschen brauchen ja Vorbilder. Trotz der vielen inhaltsschweren Nachrufe bleibt der Mann für mich ein Mysterium, was wohl auch daran liegt, dass jene, die sein Wirken beurteilen, nur von einem einzigen wunden Punkt in seinem Leben zu berichten wissen – seinem Auftritt vor SS-Männern in Dachau, der aber angesichts des Einflusses, den er auf die Menschen mit seinen Filmen und Liedern ausübte, als Marginale zu werten ist. Leider lässt sich nicht messen, in welchem Grade gute Unterhaltung dazu beiträgt, die Rüstungsproduktion aufrecht zu erhalten. Die Alliierten befanden, dass in keiner der Rollen, die er spielte, die Nazis verherrlicht wurden, darum ihm auch kein Berufsverbot auferlegt wurde. Heute würde man das sicherlich anders sehen. Interessant wäre es, den Nachruf einer niederländischen Zeitung zu lesen. In Holland war er ja lange als Quisling verschrien. Ob er es noch ist, weiß ich nicht. In Deutschland hat es nicht mal zum Speer gereicht. Er kann es aber noch werden.
PS: Was ist nur mit unseren Politikern los? Erst tritt Obama mit seiner Frau an seiner Seite auf, dann kommt unser Präsident, der, um seinen Worten mehr Pathos zu verleihen, von Familien samt deren Kindern umgeben ist. Leider erzielt er nicht die Wirkung, die er sich versprochen hat, aber zu seiner Ehrenrettung muss ich sagen, dass bei diesem Szenenbild es selbst Laurence Oliver schwer gefallen wäre, den Kitsch mit Worten zu übertünchen. So viel Kitsch gibt es nicht einmal in den Sissy Filmen. In Bollywood werden sie ufgeschreckt sein – macht ihnen Deutschland jetzt Konkurrenz?

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