Hanks wird richtig gefordert („Captain Phillips“)

Spät, aber nicht zu spät habe ich Hanks in einer Rolle gesehen, die, da ich bin ich mir ganz sicher, der Teil meines Gehirns, das das Urteil über einen Film bzw. Schauspieler fällt, für immer dank eines Speicherbuttons gesichert hat. Dabei hat der Mann zwei Oskars gewonnen. Von ersterem habe ich bis heute nichts gewusst („Philadelphias“). Wenigstens kenne ich „Forrest Gump“ vom Hörensagen. Der Trailer, den die Fernsehsender zeigen, um die Zuschauer anzulocken, sowie die Handlung finde ich so schrecklich, dass ich bis heute die mit 6 Oscars prämierte Romanverfilmung nicht gesehen haben. Daran wird sich auch nichts andern. Zu allem Überfluss hat er sich noch an die „Ladykillers“ gewagt. Was für ein Frevel! Pure Infamie! Armer Prof. Marcus, dem es sichtlich großen Spaß bereitet, seine Skrupellosigkeit, Durchtriebenheit und Verschlagenheit zu verbergen. Hanks‘ Professor ist doch sehr gekünstelt. Der Oscarpreisträger muss sich anstrengen, während Guinness die Verstellung locker von der Hand geht. (Aus Jux ahme ich ihn öfter nach. Die erste Szene – da stellt er sich seiner zukünftigen Wirtin vor – hat es mir besonders angetan.)

Diesmal ist Hanks ganz anders, nämlich stinknormal. Normaler und durchschnittlicher geht es nicht. Das Original – die Handlung ist nicht erfunden – hätte sich selbst nicht besser spielen können. Captain Phillips, der ein Containerschiff kleinerer Größe von Oman (jedes Emirat scheint über riesige Containerterminals zu verfügen) nach Kenia steuern soll, gehört zur Kategorie Männer, die, wenn man sie nicht näher kennt, schnell unterschätzt werden. (Als er im Begriff ist, die Gangway hinaufzugehen, wird schon klar, dass Hanks einen formidablen Kapitän abgeben würde.) Speziell junge Menschen neigen dazu, dieser Spezies, deren Vertreter alle gleich aussehen (beleibt, bebrillt und mürrisch dreinblickend), nicht viel zuzutrauen.

In einem gewissen Sinne trifft das auch für Muse zu, der samt dreier Mitstreiter auf einem Boot, mit dem ich mich höchstens 100 Meter vom Strand entfernen würde, mitten im Indischen Ozean versucht, das Schiff zu kapern, was angesichts der getroffenen Abwehrmaßnahmen sowie Phillips‘ Cleverness ziemlich aussichtslos erscheint. Aber Muse lässt sich nicht so leicht abschütteln. Er ist ein Typ, wie ihn sich der Führer gewünscht hat: „In unseren Augen muss der deutsche Junge der Zukunft schlank und rank sein, flink wie Windhunde, zäh wie Leder und hart wie Kruppstahl.“ Natürlich ist er sehr mutig (leider hat er zu viel davon), obendrein auch noch ziemlich clever. Für sein Alter und für jemanden, der in einem armseligen Fischerdorf groß geworden ist, weiß er sehr viel. Aber eben nicht genug. Wüsste er mehr, wäre die Handlung ganz anders verlaufen.

Meine Gunst, trotz bester Voraussetzungen, denn schließlich ist er der wahre Underdog, hat er jedoch nicht zu gewinnen vermocht. Vermutlich ist das gewollt. Der Zuschauer soll auf Distanz gehalten werden. Dabei ist er keineswegs unsympathisch, ganz im Gegenteil (das ist nur einer der vier unfreiwilligen Piraten). Sein Problem ist, dass ihm der Unsympath seine Führungsrolle immer wieder streitig macht. Um ihn zu besänftigen, trifft er Entscheidungen, die teilweise unmenschlich sind. Phillips hat es da viel leichter. Nur er hat das Sagen. Zudem weiß er Phillips‘ Vorschläge nicht so recht einzuordnen. Versucht dieser, ihn wieder aufs Kreuz zu legen? Oder ist das ein Ratschlag, deren Befolgung allen weiterhelfen würde? Diese Unsicherheit versucht er mit zur Schau getragener Selbstsicherheit zu überspielen.

Im Nachhinein habe ich mich gefragt, wie der Plot hätte verlaufen können, wenn dieser nur auf die beiden zugeschnitten worden wäre. Ein „High Noon“ auf hoher See. Mann gegen Mann auf einem Containerschiff. Etwas Besseres bzw. Originelleres fiel mit nicht ein. Es hätte wohl nicht dem wirklichen Geschehen entsprochen. Da mir es mir zu keiner Minute langweilig war, ist es höchst müßig, diesen Faden weiter zu spinnen. Sehenswert ist der Film auch, weil der Regisseur den Versuch unternimmt, zu zeigen, warum viele somalische Fischer zu Piraten geworden sind. Ganz gelungen ist ihm das nicht ganz. Es ist aber schon mal gut, dass er nicht der Versuchung erlegen ist, sie als Monster (al-Quaida) darzustellen.

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