Fürs Nichtstun bestraft

Monsieur Claude“, morgen komme ich, versprochen. Vorausgesetzt, es gewittert abends nicht mehr. Und bis dahin meine Erkältung, die mir den Besuch der Sauna erspart, abgeklungen ist, ich aber nicht verschweigen möchte, dass der öffentlicher Nahverkehrsbetrieb mit seiner Strategie, auf klimatisierte Straßenbahnen zu verzichten, nicht dazu beträgt, meine Transpiration zu verringern. Es tröstet mich nicht, dass Rentner noch weit mehr als ich in der Bahn zu leiden haben. Ungerechterweise sind dank Klimaanlagen, Schiebedächer, heruntergekurbelten Fenster sowie im Kofferraum verstauten Dächer die Autofahrer, die am meisten zum Sommersmog bzw. den hohen Ozonwerten beitragen, am bequemsten dran. Die müssten mir dem Klammerbeutel gepudert sein, wenn sie ihr Gefährt in der Gluthitze sowie der tropischen Schwüle stehen lassen würden. Da immer mehr Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt wird, hätte ich nichts dagegen, wenn der Nahverkehr aufrüsten würde.

Außerdem stellt sich seit heute die Frage, wie lange es mir noch möglich sein wird, ins Kino zu gehen. Unvorsichtigerweise habe ich mich im Blog als Anhänger Putins geoutet. Vor zwei Stunden habe ich gelesen, dass der erste Journalist fordert, die EU möge auch die Konten unseres ehemaligen Bundeskanzlers Schröder sperren. Daraufhin habe ich das Machwerk mehrmals mit dem Ziel gelesen, Anhaltspunkte, die dafür sprechen, der Autor, ein gewisser Jan Fleischhauer (vor nicht allzu langer Zeit habe ich mir vorgenommen, noch nie etwas von ihm gelesen zu haben), könnte seine Kolumne ironisch gemein haben, zu finden. Leider bin ich nicht fündig geworden. Der Mann meint es wirklich ernst, was nichts Beunruhigendes hätte, wenn der Beitrag auf seiner eigenen Webseite erschienen wäre. Stattdessen hat die Redaktion Spiegelonlines ihm erlaubt, seine Ansichten auf deren Webpräsenz zu veröffentlichen. Zwar mit dem angenehmen Effekt, nach dem Lesen das Geühl zu haben, dass dies der bisher vielversprechendster Versuch war, ins letzte Jahrhundert zu gelangen. Nachdem ich mich aber gemerkt hatte, dass sich meine Wohnung nicht verändert hat, wurde mir unwohl – statt mich in einer Zeitmaschine in eine andere Welt zu befördern, zielt der Autor darauf ab, eine Strategie, die bisher höchst verpönt gewesen ist, im neuen Jahrhundert wieder aufleben zu lassen. Schröder soll bestraft werden, weil er mit seiner Weigerung, die Politik eines Staatsmanns zu verurteilen, den europäischen Interessen schadet. Das riecht nach Kaiser Wilhelm. So muss es damals allen, die davor warnten, in den I.Weltkrieg zu ziehen, ergangen sein. (Der bleibt aber uns erspart.) Damals müssen in den Redaktionen der deutschen Zeitungen nur Fleischhauers gesessen haben. Gott sei dank ist er bis jetzt der einzige, der fordert, Schröder müsse für seine Treue zu Putin büßen. Mich würde es aber nicht wundern, wenn sich noch mehr seiner Meinung anschließen sollten. In einem gewissen Sinne ist es gar noch schlimmer als 1914 – Schröder zieht nicht einmal gegen die Regierung zu Felde. Er soll fürs Nichtstun bestraft werden.

PS: Mein vorauseilender Gehorsam verlangt von mir, darauf hinzuweisen, dass ich schon immer gegen Putin gewesen bin. Die Beiträge über Putin, die ich vor der Eröffnung der Spiele in Sotschi geschrieben habe, beweisen das eindrucksvoll.

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