Ende der Ein-Mann-Vorstellungen?

Wer die Schlachten gewinnt, muss am Ende eines Krieges nicht unbedingt als Sieger dastehen, Weselsky aber, der das Pech hat, alleine die GDL in der Öffentlichkeit vertreten zu müssen, deshalb auch für alle Unannehmlichkeiten, die seine streikende Lokführer den Fahrgästen bereiten, verantwortlich gemacht wird, dürfte selbst ein triumphaler Sieg, was für ihn hieße, endlich die Zugbegleiter vertreten zu können, nicht weiterhelfen – der Mann ist die Persona non grata schlechthin. Nur Politiker, denen die Massen jubelnd in einen Konflikt, der im Chaos und blanker Zerstörung endete, gefolgt sind, genießen einen noch schlechteren Ruf, an dem sie sich jedoch nicht lange erfreuen können – meist wird mit ihnen kurzer Prozess gemacht. Sicherlich stände Weselsky und seine Gewerkschaft wesentlich besser da, wenn mehr Leute die Lokführer in der Öffentlichkeit vertreten würden. Stattdessen bekommen die Zuschauer vor den Bildschirmen nur ihn zu Gesicht. Nicht dass dessen Einmann-Show langweilig wäre. Ganz im Gegenteil, der Mann hat Schwung. Er ist der Christoph Daum unter den Gewerkschaftern – immer unter Strom und ständig Gas gebend. Mich wundert, dass noch niemand auf die Idee gekommen ist, eine Haarprobe von ihm zu nehmen. (Sie merken, dass ich nicht auf die Bahn angewiesen bin. Daher fällt es mir nicht schwer, mit ihm zu sympathisieren.) Die große Frage ist, ob es überhaupt noch zeitgemäß ist, ständig die gleiche Person an vorderster Front kämpfen zu sehen. Fürs Renommee wäre es wohl besser, wenn mehrere Personen den Journalisten zur Verfügung ständen. Und die Medien wären gezwungen, mehr zu tun, als sich nur auf einen einzelnen zu stürzen. Die Kampagne gegen Weselsky hätte unter diesen Umständen überhaupt erst gar nicht stattgefunden. Inhaltlichen Aspekten des Konflikts wäre zudem eine weit größere Beachtung geschenkt worden. Für Presse, Funk und Fernsehen ist natürlich eine GDL, die sich als Ein-Mann-Gewerkschaft verkaufen lässt, wesentlich interessanter – der garantiert eine hohe Auflage und gute Einschaltquoten. Daher verwundert nicht, dass meistens nur von Putin die Rede ist, wenn eigentlich über Russland berichtet werden müsste. In Amerika ist es ähnlich – alles bleibt am Präsidenten, der bei allen Entscheidungen das letzte Wort hat, kleben. Zwei oder gar drei Präsidenten würden den Polarisierungs-Sog, unter dessen Wirbeln die USA seit Jahren leiden, nicht stoppen. Zukunft haben die Länder und Organisationen, die keine starken Männer und Frauen brauchen. Mehrere Ansprechpartner heißt bald die neue Devise. Die GDL wird sich umstellen müssen. Einer alleine kann es nicht schaffen.

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