Ein bewaldeter Deich und ein tristes Stadtschloss

Die Erbauer der gotischen Kathedralen wären stolz, könnten sie den Gimritzer Damm sehen – in einem Abstand von geschätzten fünf Metern gehen die Sandsack-Bögen von der Straße zur Deichkrone hinauf. Gehalten werden sie von zwei Sandsack-Barrieren – eine ist unten auf der Straße, die andere auf dem Deich. Hätte man den Erdwall mit Säcken vollgepackt, wäre er wohl wegen der Nässe in sich zusammen gerutscht. Aber das ist beileibe nicht das einzig Besondere, denn der Erdmauer ist bewaldet, was ganz und gar gegen jene Dammbau-Regel, die besagt, dass auf diesem nur Gras wachsen darf, verstößt, somit dessen Halten ein Phänomen, das das Interesse aller Deichbauexperten auf sich ziehen müsste, darstellt. Ich frage mich seit Beginn des Hochwasser, ob er gerade wegen der Bäume und Sträucher gehalten hat. Leider wird mir das niemand beantworten können – die Experten haben wichtigeres zu tun, als zu prüfen, wie die Wurzeln die Erde zusammengehalten haben könnten. (Wie viel Wurzelwerk werden je Kubikmeter benötigt?) Da die Damm-Flora unter den Wassermassen nicht gelitten hat (es ist, als wären die Pflanzen in Folie verpackt gewesen), ist mir um den Deich bei der nächsten Flut nicht bange. Die Spezialisten sehen das natürlich anders – sie werden alles abholzen und 2 Meter Erde darauf packen. Mit der Gemütlichkeit ist es dann dahin. Bei schlechtem Wetter hilft nur, sich vorzustellen, in Patagonien zu wandern. Schafe sollte man aber nicht erwarten. Für sie wäre der Anstieg zu steil. (Die vierspurige Stra0e, die gleich mit gebaut wird, kostet Platz).

Diese Tristesse ist allemal besser als ein unvollkommener Schutz, ja Halle würde als privilegiert gelten, könnte dies umgesetzt werden. Anders gesagt – lieber einen vier Meter hohen Graswall als ein Stadtschloss, dessen Grundsteinlegung, bei der, so ist zu erfahren, die Politiker, die nicht dauernd im Rampenlicht stehen, unter sich sein werden, morgen erfolgen soll. Das lässt darauf schließen, dass das Hohenzollern-Schloss dem Kölner Dom bezüglich der Bauzeit Konkurrenz machen will. Lt. Wiki brauchte man mehr als 600 Jahre, um ihn zu errichten. Bei einer solch langen Bauzeit in Berlin würde selbst Merkel nicht mehr die Einweihungsfeier erleben. Angesichts der langen Zeiten war es nicht unüblich, das Aussehen der Kathedralen zu verändern. Starb ein Baumeister, übernahm ein neuer die Leitung. Öfters krempelte dieser alles wieder um. Der Straßburger Münster ist dafür ein gutes Beispiel (ARTE). Mit ein bisschen Glück kann das auch dem Schloss widerfahren. Am Ende kommt dann der Palast der Republik heraus. Warum man ihn abgerissen hat, kann ich bis heute noch nicht verstehen. Dabei hätte sich nach dessen Asbestsanierung ein Umbau mit diversen Anbauten angeboten. (Es gibt Umbauten, sie so verwinkelt sich, dass deren Bewohner Probleme haben, sich in diesen zurechtzufinden.) Ein Berliner Pompidou hätte der Stadt gut getan. Die vermutlich lange Bauzeit macht Hoffnung, dass nach zig Jahren nicht das, was vorgeschlagen wurde, herauskommt.

Haben Sie auch den Eindruck, dass immer mehr umgestaltete Grünflächen dem Internet, speziell dem deutschen, ähneln. Das Gras wächst nur noch in Kästen. Die Bäume steht weit auseinander. Sträucher such man vergebens. Das sieht sehr nach Spiegelonline aus. (Die Blöcke sind sogar noch größer geworden. Die TAZ zieht aus unverständlichen Gründen nach.) Schaut ich auf deren Seiten, fange ich sofort mit Scrollen an. Vermutlich ist es gewollt, so schnell wir möglich über die Seite zu jagen. Diese Art der Gestaltung unterfordert das Auge. Aber warum müssen die Landschaftsgestalter unbedingt nachziehen?

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