Die Kulturrevolution fällt aus (Tree of Life)

Diese wunderbare Hommage an eine Kindheit, in der an den Nachmittagen es den Erwachsenen aufs strengste verboten war, sie zu beeinflussen, geschweige denn von ihnen zu verlangen, etwas zu tun, was sie nicht mögen, hätte mehr verdient als die 4 Sterne plus, mit dem der Film im Schnitt von den Kritikern bewertet wurde – eigentlich müsste das Werk eine Kulturrevolution, deren Ziele und Folgen dieser Bezeichnung auch gerecht werden, auslösen. Aber dazu wird es nicht kommen, denn das hieße, die Industrie, die sich um das Wohl und Weh der Kinder kümmert, auszulöschen – selbst in Zeiten eisernen Sparens ist dies unvorstellbar. Eltern müssten darauf verzichten, ihren Kindern überdimensionale Spielgeräte zu kaufen, sie dürften ihre Sprösslinge nicht mehr zum Fußballtraining chauffieren, die Klavier-, Geigen-, Gitarrenstunden vielen weg, ebenso der Tanzunterricht, der Chinesischkurs müsste ausfallen, zu allem Überfluss würden auch Zauberer und Clowns für Kindergeburtstagsfeiern und Einschulungen wegfallen. Nein, das wird nicht passieren, darum wird Mao auch vorerst der einzige bleiben, der eine angezettelt hat. Vermutlich wollte Malick, der Regisseur des Films, gar keine Revolution auslösen – sein Held, gespielt von Penn, hat am Anfang des Films große Schwierigkeiten, Bilder aus seiner Kindheit wachzurufen. Das verwundert auch nicht weiter, erinnert ihn doch nichts in seinem Haus an diese Zeit. Statt sich vom guten Geschmack seiner Mutter inspirieren zu lassen, hat er aus seinem Anwesen ein Vorzeigeobjekt, wie gelebte Corporate Identity aussehen könnte, gemacht. Erst eine wunderschöne, da farbenprächtige Katharsis, in der unter anderem großer Meteorit in den Ozean fällt sowie ein Saurier seinen Fuß auf den Kopf eines verendenden Tieres legt, ermöglicht ihm, sich daran zu erinnern, was er mit seinen Brüdern so alles angestellt hat (Charlie Harper war gemeiner). Im richtigen Leben wird vermutlich Jolie strenger zu den Kindern sein, im Film aber ist Pitt derjenige, der die Kinder hart ran nimmt bzw. von Sachen fordert (Gras raus ziehen), die überhaupt keinen Spaß machen. Trotz seiner Bildung, er spielt sogar Orgel, erinnert Pitts Führungsstil eher an den eines Löwenrudelführers – dem ist alles egal, solange sein Rudel ihn mit Fleisch versorgt. Die Kinder müssen zwar nicht arbeiten gehen, sondern einzig und allein mit ihm schöntun, wenn er zu Hause ist. Zum Glück ist er das nicht all zu oft. Mädchen hätten mit diesem Vater wohl keine Schwierigkeiten gehabt. Bei Jungs ist das schon etwas anders. Klar, dass die Mutter das genaue Gegenteil von Pitt ist. Angesichts der Methoden, die damals, in den 50ern, noch angesagt waren, muss man aber sagen, dass die drei eine recht unbeschwerte Zeit hatten. Es sei noch erwähnt, dass ohne die klassischer Musik (unter anderem Smetanas „Die Moldau“) der Film nur halb so gut wäre. Interessant wäre, zu wissen, wie viel Zeit Malick damit verbracht hat, für jede Filmsequenz, die mit Musik unterlegt ist, das passende Stück zu finden. Die Sorge, Penns Tagträume könnten ihn aus der Bahn werfen, braucht niemand zu haben – mehr als ein „die wollen uns beherrschen“ war nicht von ihm zu vernehmen.

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