Die Briten verabschieden sich, England aber bleibt

Frankreich gegen England – nachdem die Brasilianer, wie wir es von ihnen gewohnt sind, in Schönheit starben, hätte ein Endspiel zwischen den beiden uns bestens darauf einstimmen können, dass dies der Anfang vom Ende des Daseins der Briten in der EU sei (hatten wir nicht immer geglaubt, die Briten gehörten zu Europa bzw. zum Kontinent, wie sie früher auf der Insel zu sagen pflegten, wie der Islam zu Deutschland?), wenn May nicht das Kunststück gelungen wäre, ihren renitenten Brexitern, die am liebsten die Britischen Inseln vor die Küste Amerikas schieben würden, um die lästigen Europäer, deren Vorschriften und deren Zustrom in Scharen ihre endemische Kultur auszurotten drohten, endlich loszuwerden, ein Ja für eine Zusammenarbeit mit den verhassten Technokraten in Brüssel abzuringen. Alles bleibt so, wie es ist, außer für jene, die dort arbeiten und studieren wollen – die müssen nun eine Erlaubnis einholen, um bleiben zu dürfen. Ob das britische Äquivalent zur Green Card ähnlich erfolgreich wie das Original sein wird, kann im Moment niemand sagen. Während es die in jedem Fall geben wird, ist es nahezu ausgeschlossen, dass die Briten ihre Ziele erreichen werden, es sei denn, Seehofer würde es schaffen, sich bis Ende August ins Bundeskanzleramt zu stänkern. Nicht dass er der einzige Politiker in Europa wäre, der versteht, dass die Briten sich fürchten, ihr Land könnte ihnen wegen vieler fremder Kontinental-Europäer fremd werden (nicht überall sind die Menschen so standhaft wie in Halle, wo bisher jeder Versuch, das Oktoberfest zu imitieren, kläglich gescheitert ist) – Orban und Co. geht es sicherlich ähnlich. Nur denken die in erster Linie an sich. Je härter der Brexit, desto größer die Chance, dass Leute, die vor Jahren auf die Insel gegangen sind, angesichts der Nachteile, die die Abkoppelung mit sich bringt, wieder in ihre Heimatländer zurückkehren, wo sie im Gegensatz zu früher wegen des hohen Wirtschaftswachstums dringend gebraucht werden. Und wenn dann noch die Firmen beginnen, Teile ihrer Produktion auf den Kontinent, speziell nach Ostereuropa, zu verlagern, dürfte klar sein, dass May selbst bei jenen, die dem Recht, überall in der EU leben und arbeiten zu dürfen, nichts abgewinnen können, keine Unterstützung finden wird. Zu allem Überfluss kommen ihre Vorstellungen viel zu spät, um einen Lerneffekt, sprich die Einsicht, dass sich die Pläne nicht durchsetzen lassen, bei den gemäßigten Brexitern auszulösen. Das Experiment, freiwillig auf der eigenen Insel zu stranden, ohne die verlassen zu müssen (im Gegensatz zu Robinson Crusoe bleibt den Briten die Chance verwahrt, etwas Neues zu entdecken), ist wohl nicht mehr zu verhindern.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert