Pedantisch – Kreuz darf auf Kuppel nicht fehlen

Wenn sich aufgrund der Art und Weise, wie eine Kuppel gebaut ist und welchen Nutzen sie für die Menschen hat, schließen ließe, wie eine Gesellschaft tickt, würden jene, deren Unterhaltungswert im Gegensatz zu der Fosters, die er 1999 auf dem Reichstagsgebäude errichten durfte, gegen Null tendiert, vermuten lassen, ein Land müsse sich zurückentwickelt haben. In welches Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts uns die Kuppel des Stadtschlosses führt, weiß ich nicht. Wegen der Entscheidung, auf der Kuppel ein Kreuz zu errichten, ist der Sprung in die Vergangenheit nun noch größer ausgefallen. Hätten die Planer auf den Focus, bei dem im Titel von einem Mikroskop die Rede war, gehört, wären wir nicht so weit zurückgebeamt worden. Die Russen würden vermutlich auf deren Spitze eine Sojus platzieren. Die Amerikaner könnten auf der Halbkugel so viele Produkte, die sie erfunden haben, anbringen, dass diese als solche gar nicht mehr auszumachen wäre. Und die spleenigen Engländer errichteten eine Dampfmaschine, aus der in bestimmten Zeitabständen Rauch aufsteigt, an deren Ende. (Die Schotten mögen mir verzeihen.) Angesichts der Vielfalt der Geräte, die hätten gezeigt werden können, ist es höchst bedauerlich, der Bauherr weiterhin unbedingt wünscht, den Eindruck zu erwecken, ein König würde noch im Stadtschloss residieren. Sollte sich irgendwann etwas an dieser Ansicht ändern, bleibt nur, zu versuchen, nachts Formel, Zahlen und Porträts an die Rundungen zu werfen – je bunter, desto besser. Wie schön der Bau hätte werden können, wenn moderne Elemente eingebunden worden wären, zeigt Renzu Pianos neuestes Projekt, ein Museum in Santander, das ich mir in einer abgespeckten Version mit mehr Glas gut auf dem Dach des Schlosses vorstellen kann. Leider ist das zu modern für die Stadt, die, was die Architektur betrifft, wohl an ihrem Tiefpunkt angekommen ist – nie hat man in Berlin langweiliger gebaut als heute. Geld schießt zwar im Fußball Tore, jedoch ist es kein Garant für tolles Design, zumal wenn die Leute, die Bauten wie jenes an der spanischen Nordküste finanzieren, es vorziehen, alte Gebäude wieder originalgetreu herzustellen. Die Eigentümer der Santander-Bank denken anders – um mit Bilbao und San Sebastian konkurrieren zu können, müssen sie etwas Spektakuläres bieten. Wie eben den Doppelbau, der sich quer über den Strand erstreckt, so dass die Sicht auf das Meer nur wenigen versperrt bleibt. Pianos Idee, die Bauten von hinten, also der Stadt, so durchsichtig wie möglich zu machen, ist genial. Geht man am Strand entlang, hat man vermutlich den Eindruck, ein großen Fels sei ans Ufer gespült worden. Oder jemand könnte einen Bunker des Atlantikwalls nach Spanien verschifft zu haben. Auf alle Fälle erweckt es die Neugier der Strandgänger. Die spanische Atlantikküste ist um eine Attraktion, die man auf einer Fahrt nach Santiago de Compostela unbedingt gesehen haben muss, reicher. Da stellt sich die Frage, ob es sich wegen der vielen Sehenswürdigkeiten überhaupt noch lohnt, nach Santiago per pedes zu gelangen.

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