En Marche in die Langeweile!

Stell dir vor, es ist Revolution, und kaum jemand nimmt daran teil – was so bizarr klingt, ist vermutlich eine Wirklichkeit, von der wir erst seit Sonntag wissen, denn da haben 15,73 Prozent der Wahlberechtigen Macrons „La République en Marche“ ein Resultat, das darauf schließen lässt, dass seine Partei im 2. Wahlgang 455 der 577 Sitze holt, beschert. Zurück in die Zukunft, also in die Monarchie, deren Sturz bei der nächsten Wahl – selbst wenn die Einschnitte, die der neue König (Anrede „Sire“) glaubt, vornehmen zu müssen, um Frankreich wettbewerbsfähiger zu machen, sich als kontraproduktiv erweisen sollten, was sie sicherlich auch sein werden – keineswegs sicher ist. Jede Sitzung des Parlaments ist wegen der überwältigenden Mehrheit en Marches für deren Abgeordnete praktisch ein Parteitag. Die sind meistens langweilig und öde. Vor allem wird dort höchst selten gestritten. Ein Oppositioneller ist in der neuen Nationalversammlung hoffnungslos verloren – mit der Gewissheit ans Rednerpult zu gehen, gegen eine Wand zu reden, fördert nicht gerade die Motivation. Wenn sich die Marche-Leute., von denen die meisten nicht wissen, wie es bei diesen Veranstaltungen zugeht, den Verhaltenskodex, der unter Parlamentariern üblich ist, angeeignet haben, wird es ganz schwer, einigermaßen unbeschadet die Legislaturperiode zu überstehen. Dann heißt es, nicht depressiv zu werden. (Es ist sicherlich noch schlimmer, wohlwollend von oben herab – eine Variante, die ich mir auch vorstellen könnte – behandelt zu werden.) Am Ende wird es darauf hinauslaufen, dass die Medien über die Arbeit des Parlaments nur berichten, wenn 20 von Macrons 455 Leuten sich bei Abstimmung enthalten. Wer könnte angesichts dieser Umstände es den Franzosen verdenken, wenn sie erst 2022, wenn wieder gewählt wird, merken, dass sie ein Parlament haben? Die Frage ist, ob Parteien, die jetzt knallhart abgestraft wurden, ich denke da an erste Linie an die Sozialisten, dann überhaupt noch existieren werden. Der Blog hat deren jetziges Debakel vorausgesagt. Nur in einem Punkt hat er sich geirrt – Le Pens‘ Front National ist nicht wie vermutet die 2. Kraft Frankreichs geworden. Weit abgeschlagen ist sie auf Platz 3 gelandet. Viel Lärm um nichts – sie hat vom Hype, den ihre Gegner um sie gemacht haben, gelebt. Die haben sie größer gemacht, als sie in Wirklichkeit ist. Und sich dabei selbst vernichtet sowie das Land mit mit ihrer Angstmache entpolitisiert. Knapp 16 Prozent der Wahlberechtigten haben Macron 70 Prozent der Stimmen eingebracht. Das wird dessen Partei nicht davon abbringen, Frankreich zu „erneuern“ – wer nicht seine Stimme abgibt, hat eben Pech gehabt. Vielleicht irre ich mich. Vielleicht gibt es in Puncto Wahlbeteiligung bald Weimarer Verhältnisse (ausgerechnet die viel gescholtener Republik) – unter 70 Prozent lief da nichts. Bei den letzten (auf dem Papier) freien Wahlen gingen gar 88 Prozent an die Urnen (als hätten die Deutschen geahnt, dass dies die letzten sein werden).

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