Bourne hätte Mielke zum Weinen gebracht

Das ultimative Kinoerlebnis des Jahres – „Jason Bourne“ in einer Gruppe samt eines Mielke-Doubles, der ihn nicht nur mimt, sondern während der Vorstellung dank seiner lautstarken Bemerkungen zu verstehen gibt, dass er dem Original auch sprachlich recht nahe kommt, sehen zu dürfen (wenn er am Ende des Films weint und sich bitterlich darüber beklagt, wie schlecht seine Tschekisten sein würden, wissen Sie, dass Sie den richtigen Mann gebucht haben) – wegen fehlender Double ist das leider nicht möglich, was ich sehr bedaure. (Ich bilde mir ein, dass es früher wesentlich mehr gab.) Da der Film auf sich auf der „Mielke-Ebene“ bewegt, macht es auch keinen Sinn, jemanden, von dem Sie sicher wissen, dass er einmal IM gewesen ist, mit in die Vorstellung zu nehmen. Informelle Mitarbeiter hatte nur die DDR (wegen der fehlenden Technik). Wie es richtig gemacht wird, zeigt der Film – mit einfachen IMs, die die Nachbarn belauschen, gibt sich der CIA erst gar nicht ab. Er rekrutiert nur Leute, von denen er weiß, dass diese einmal in den Führungspositionen großer Unternehmen und Start-ups sitzen werden. Ohne die wären die Schlapphüte gar nicht in der Lage, ihre Abhörsoftware einzusetzen. Sich dessen bewusst, ist der abtrünnige Ex-CIA-Agent Bourne in ein Milieu, von dem ich dachte, der Tod Königin Victorias habe es ausgelöscht, geraten. Mit illegalen Boxkämpfen (es wird natürlich ohne Boxhandschuhe gekämpft), das ein Publikum anzieht, das darauf verzichtet, Handys auf die Kämpfer zu richten, verdient er sein Geld. Für Leute mit meiner Statur wäre das nicht unbedingt der beste Weg, den Geheimdiensthäschern zu entkommen. Angesichts der immensen Kontrolle, die der Geheimdienst über die westliche Welt hat (ich halte es für ausgeschlossen, dass der CIA von Fairfix aus der Lage ist, auch in Moskau den Strom einer Hacker-Gemeinschaft zu kappen), frage ich mich, ob es nicht ein gutes Zeichen ist, wenn die Polizei nicht in der Lage ist, jeden Gesetzesübertreter dingfest. Wäre dies der Fall, hätten wir den totalen Überwachungsstaat. Bourne nimmt jedenfalls den Kampf gegen seinen ehemaligen Arbeitergeber an. Das Spanende daran ist, dass er nicht darum kämpft, die Machenschaften des Geheimdienstes aufzudecken, sondern aus rein persönlichen Motive den mächtigen Mann, von dem Mielke hellauf begeistert wäre, zur Verantwortung zu ziehen. Das ermöglicht dem Regisseur, sich jedwedem Pathos zu versagen, was dem Film richtig gut tut. Bourne ist nicht der Superheld, sondern ein Mensch, den Zweifel plagen. Ein Held, der nur springt, wenn er muss. Trotz verhaltener Kritiken ist das für mich einer der besten Filme in diesem Jahr. Und das ohne Double, an dessen Seite ich mich wegen der Unberechenbarkeit des Originals doch ein wenig wohler fühlen würde.

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