M vergibt Großchance

Besteht der Bundestag nur aus Gorbatschow Anhängern? Da Frankreich bereits im Jahr 2001 die Armenien- Resolution unterzeichnet hat und die Deutschen erst 15 Jahre später bei einer denkbar heiklen politischen Großwetterlage nachziehen, haben knapp zwei Drittel der Abgeordneten den Entschluss gefasst, erst gar nicht an der Abstimmung teilzunehmen – ein Fehler, denn es sieht ganz danach aus, als ob wir dank jener, die es vorgezogen haben, zu Hause zu bleiben, nun noch härter bestraft werden. (Lieber zu spät als überhaupt nicht heißt es seit Mittwoch.) Wieso ich darauf komme? Da die Zahl vom türkischen Ministerpräsidenten, den der Deutschlandfunk zitiert hat, stammt (250 von 650 hätten teilgenommen), fällt es mir nicht schwer, mir vorzustellen, wie Erdogan freundliche Medien amüsiert mutmaßen, viele seien aus Angst, die Türkei könnte die Flüchtlinge ausreisen lassen, erst gar nicht erschienen. (Aus Zeitmangel ist es mir nicht möglich gewesen, dieses Verhältnis in einem Artikel eines hiesigen Journalisten zu finden. Was lerne ich daraus? Man muss nicht unbedingt lügen, um zu suggerieren, alles sei in Ordnung. (Sie sehen, ich kämpfe um jeden Leser. Schließlich sollen sich die Pegida-Leute nicht ausgegrenzt fühlen.) Das Verschweigen lässt die Welt auch heiler erscheinen.) Lieber 20 oder 30 Gegenstimmen bei vollem Haus statt dieser Farce, die nur Erdogan hilft. Und natürlich hätte bei einer so wichtigen Debatte, die vermutlich die halbe Türkei verfolgt hat, unsere Kanzlerin sprechen können. Das sind genau jene Situationen, von denen große Politiker träumen, da sich ihnen nun die Chance bietet, mit einer großen Rede Geschichte zu schreiben. Churchill hätte sie genutzt, ja sich danach gesehnt, darlegen zu können, warum die Resolution verabschiedet werden soll. Am Ende hätten ihm die Türken sogar noch zugestimmt. Zuzutrauen wäre es ihm. Merkel muss das als Last empfunden haben. Sie glaubte, nur verlieren zu können. In gewisser Hinsicht ist das ein intellektueller Offenbarungseid – soll niemand aus ihrer Umgebung in der Lage sein, ihr eine passende Rede zu schreiben? Diesem Dilemma kann man nur begegnen, indem das Bundeskanzleramt Reden ausschreibt, jedenfalls alle wichtigen. Natürlich würde ich auch gerne an den Ausschreibungen teilnehmen. Aber nicht des Geldes wegen. Mir würde reichen, wenn während ihres Beitrags mein Name eingeblendet werden würde. Merkel wäre dann so eine Art Queen. Die muss bekanntlich sagen, war ihr der Premierminister vorschreibt. Wegen ihrer Weigerung, zu sprechen, wird der Eindruck bestärkt, unsere Kanzlerin regle alle wichtigen Dinge hinter verschlossen Türen. Gäbe es nicht die EU bzw. hätte Brüssel nicht tolle Verwaltungsgebäude, müsste Merkel es ertragen, als Hinterstuben-Politikerin bezeichnet zu werden. So haben viele weiterhin den Eindruck, die Probleme der EU werden an Wochenenden sowie nachts gelöst. Dank der Wahlbeteiligung kann Erdogan mit seiner Zuckerbrot und Peitsche Politik weitermachen.

PS: In erster Linie ist es die Opposition in der Türkei, zu leiden hat – wegen der Laxheit der hiesigen Politikerkaste wird es nun noch schwerer für sie, sich Gehör zu verschaffen.

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