Ein Selfie ist kein Selfmademan

Ich bin stolz auf meine Intuition, denn ihr verdanke ich, dass mir erst seit gestern die Bedeutung eines Wortes, das seit zwei Jahren durch die Welt geistert, bewusst ist. Gezieltes Ignorieren – bspw. habe ich nie Artikel, in deren Titeln der Begriff gestanden hat, gelesen – half mir, mich mit diesem Wort nicht beschäftigen zu müssen. Dass sie mich vor 4 Stunden im Stich ließ, nehme ich, der dankbar darüber ist, sehr lange unwissend gewesen zu sein, ihr nicht übel. Die Überschrift war einfach zu verlockend. Und wenn der Autor jenen, die absolut keine Ahnung haben, nicht ausdrücklich erklärt hätte, was darunter zu verstehen ist, würde ich die auf die Frage, was ich davon halte, etwas völlig Abwegiges antworten. So wie es Kohl tat, für den in einem Interview „Datenautobahnen“ richtige Autobahnen waren. Bis kurz vor 8 Uhr gestern war ein Selfie für mich eine Art Selfmademan. Jetzt weiß ich aber, dass es sich um ein Selbstporträt, das man mit dem Handy schießt, handelt. Dass selbst Politiker Gefallen daran finden, sich selbst aufzunehmen, hat mich doch etwas erstaunt. Reicht es ihnen nicht, sich selbst jeden Tag im Fernsehen sehen zu können? Ich hätte gedacht, sie wären es leid, sich immer selbst anschauen müssen. (Die meisten jedenfalls.) Mir wäre das peinlich, mich abends wiederzusehen. Politiker können davon nicht genug haben. Erbarmungslos zeigen sie sich der Welt. Das Bild, das die dänische Ministerpräsidentin gemacht hat, werden wir nicht im Netz finde (die Ausnahme von der Regel). Sie werden schon gemerkt haben – das „Selbst“ bezieht sich leider nur auf das Fotografieren. Wer Selfies macht, behält diese oft nicht für sich selbst, sondern zeigt, wie dem Artikel zu entnehmen ist, diese im Internet (Facebook) und auf Twitter. Bis jetzt kann man den Bildern noch entgehen. Aber wie lange noch? Ich bin guten Mutes, dass es auch weiterhin „selfiefreie“ Zonen im Netz geben wird.

Sorgen macht mir nur die „Verdrohnung“ des Himmels. Wenn Amazons Plan, die Pakete bald per Luftpost auszuliefern, Erfolg verspricht, dauerte es nicht mehr lange, bis Personen, die sich für wichtig halten, auf die Idee kommen, uns ihr Leben aus der Perspektive einer Drohne vorzuführen. Es muss ungeheuer spannend sein, ständig von diesem Gerät, das mit mehreren Kameras bestückt ist, verfolgt zu werden. Den Journalisten würde das die Arbeit ungeheuer erleichtern. Keiner bräuchte mehr nachts auf Politiker zu warten – die Fernsehsender ließen nur ihre Fluggeräte vor den Erklärenden kreisen. Mein Rat an Gabriel – wenn es bei einem Interview mit Slomka wieder haarig zu werden droht, sollte er versuchen, mit dem Schuh nach der Drohne zu werfen. Besser noch, er lässt danach werfen. Das wäre natürlich ein noch eleganterer Weg, sie loszuwerden.

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Eine Antwort zu Ein Selfie ist kein Selfmademan

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