Treu bis zum bitteren Ende

Gehören Sie auch zu denen, die bedauern, dass Oberst Schneider und seine Kameraden aus der Kriegsgefangenschaft entlassen wurden? Nicht dass es mir Freude bereitet, die Beobachter, manche glauben gar, es seien Spione, im DDR-Jargon „Kundschafter des Friedens“, gewesen, weiter leiden zu sehen (Gefangene seines Status‘ fesselt man nicht). Ich denke nur, sie haben einen würdigeren Empfang verdient, einen, auf denen sie noch stolzer hätten sein können als über jenen, denen ihn von der Leyen am Sonnabend bereitete. Der hätte jedoch nicht in Berlin, sondern in Moskau stattgefunden – angesichts seines schneidigen Auftretens bei einer extra für ihn anberaumten Pressekonferenz (der Oberst hat mich an einen überaus korrekten Captain eines Segelschulschiffes erinnert), hätte ich ihm zugetraut, dass er ganz alleine die Stadt vor den „Banderists“, die, so lese ich, bald zuschlagen werden, retten würde. Mindestens vier Tanks hätte er außer Gefecht gesetzt (zwei mit Panzerfäusten, an einen hätte er eine Magnetmine aus einen Schützenloch angebracht, dann würde er die Luke eines Panzers öffnen, um eine Handgranate hineinzuwerfen). Putin wäre gar nichts anderes übrig geblieben, als ihm die höchste Auszeichnung des Landes (Held der Russischen Föderation) zu verleihen.

Unwahrscheinlich? Oberst Steiner, Verzeihung Schneider, ich gucke wohl zu viele Kriegsfilme (Michael Caine und James Coburn), hatte ein so freundschaftliches Verhältnis mit dem Mann, der ihn festsetzen ließ, dass er im Ernstfall gemeinsam mit Ponomarjow Slowjansk gegen die Regierungstruppen verteidigt hätte.

Ausgerechnet die Russen haben eine mögliche neue (alte) Waffenbrüderschaft zu verhindern gewusst. Wie kann die Nibelungentreue, die der Westen mit Kiew hält, nun ein Ende finden? Es wäre ja schon schön, wenn sich im Westen ein Politiker finden würde, der es wagt, die Art und Weise, wie die Maidan-Politiker ihr Land zu regieren pflegen, kritisierte. Selbst nach den schrecklichen Ereignissen in Odessa wagt es niemand, die Verantwortlichen in Kiew zu fragen, warum die Polizei nicht eingeschritten ist. Gibt es keine internationale Organisation, die in Fällen, die einem Programm recht nahe kommen, automatisch eine Untersuchung einleitet? Wer glaubt, dass die Zentralregierung ein Interesse daran hat, herauszufinden, wer verantwortlich ist, ist völlig auf dem Holzwege – bereits am Sonntag müssen viele Besucher im Gewerkschaftshaus (in einem Bericht RTs tauchen einige im Hintergrund auf) gewesen sein. Meines Erachtens hätten sich dort zu dieser Zeit nur Ermittler aufhalten dürfen. Genaueres werden wir eh nicht erfahren, denn kein Journalist scheint sich für die Ermittlungsarbeiten interessiert zu haben. Nach einer derart schlimmen Tragödie hatte ich schon gedacht, dass Medienvertreter vor Ort die Untersuchung verfolgen würden. Welch ein Irrtum. Nur die Russen (RT) haben sich gefragt, wie alles abgelaufen sein könnte. Sonst herrscht allenthalben Desinteresse. Die deutschen Medien haben es vorgezogen, lieber über die Beobachter als über die Toten Odessas zu berichten. Dank der FAZ weiß ich nun, dass die Gruppe sich nicht verfahren hat, sondern von Profis auf einem Rastplatz in der Nähe Slowjansk festgenommen wurde. Es sieht so aus, als ob die OSZE nicht nur „Spione“ auf Erkundungstour einsetzt, sondern sogar welche in ihren eigenen Reihen hat. Die TAZ hat versucht, mich davon zu überzeugen, dass die Menschen in Lwiw völlig zu recht Angst vor den Russen haben (sie hat es nicht geschafft). Und Bidder hat sich bei SpiegelOnline darüber beklagt, dass die Befreiung unschuldig Gefangener (sie wurden eingesperrt, weil sie den Brand überlebt haben) dem Ansehen der Regierung gewaltig geschadet habe. Den „Weckruf“, von dem Steinmeier in seiner Einschätzung des Geschehens am Sonnabend sprach, haben die nicht nur die Ukrainer, sondern auch die deutschen Medien überhört.

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