Ein Gaucho im Vatikan (wenn auch nur ein halber)

So viel Neues hat es bei einer Papstwahl noch nie gegeben – erst tritt der alte zurück, dann wählen die Kardinäle zum ersten Mal einen Nichteuropäer und Jesuiten zum Papst, dem es auch noch gelingt, sich einen Namen, Franziskus, zu geben, den bisher keiner seiner Vorgänger gewählt hatte. Als Kardinalprotodiakon Tauran verkündete, Jorge Mario Bergoglio sei Papst geworden, verstummte die Menge. Ebenso die Reporter (Phoenix). Der Schock hielt nicht lange an – spätestens als er mit passender Mimik und ausdrucksstarker Gestik sagte, seine Brüder seien bis ans Ende der Welt gegangen, um ihn zu finden, war klar, dass alle, die einen theatralischen Papst mögen, voll auf ihre Kosten kommen werden. So locker hat sich Benedikt XVI nicht gegeben. Nicht das geringste Anzeichen für Verkrampfung konnte ich bei ihm ausmachen. Ich würde mich nicht wundern, sollte er als der große Improvisator in die Geschichte der Päpste eingehen. Die Kirche braucht mehr Lockerheit. Alleine schon aus dieser Hinsicht haben die Kardinäle eine gute Wahl getroffen. Da mit Bergoglio niemand rechnete, muss in der Sixtinischen Kapelle den Kardinälen die Erleuchtung gekommen sein – einen Papst, der (perfekt?) italienisch spricht (Eltern wanderten aus) und von Übersee kommt, würden sowohl die Italiener als auch die Katholiken, die nicht aus Europa kommen, akzeptieren. Glücklicherweise passt er auch in die heutige Zeit – er mag keinen Pomp, nimmt den Bus und lebt in einer kleinen Wohnung (Walter Mixa wird schon eine Teufelsaustreibung für ihn planen). Südlich der Alpen kommt das gut an. Im Norden sind andere Themen wichtiger (noch) – bspw. die Ökumene und der Islam. Beides wird ihn nicht interessieren. Die Orthodoxen werden ihm auch nicht am Herzen liegen. Praktisch von einem Tag auf den anderen haben sich die Prioritäten geändert. Was noch vor einem Monat wichtig war, interessiert die Kurier seit heute nur noch am Rande. Ich bin gespannt, was der eingefleischte Benedikt-Fan Matussek, im Wissen, nicht mehr der Entourage anzugehören, über ihn schreiben wird (der Blog berichtete). Natürlich ist nicht alles Gold, was glänzt – ihm wird vorgeworfen, während der Zeit der Militärdiktatur zwei Jesuiten an die Geheimpolizei verraten zu haben. Und dann soll er der argentinischen Marine geholfen haben, politische Häftlinge vor einer amerikanischen Untersuchungskommission zu verstecken – er stellte ihr seine Ferienwohnung zur Verfügung.

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