Die Deutschen würden dicker

Wohl dem Führer, der seinen Untertanen verbieten kann, auf ausländische Lebensmittel zu verzichten, ohne fürchten zu müssen, dass nach einer gewissen Zeit des Entbehrens sich deren Aussehen verändern könnte, was natürlich gleich den Verdacht erwecken würde, die Einschränkungen schadeten Gesundheit. Das ist das Ergebnis einer Studie, die die Kolumne unter der Bedingung, sie möge Resultate liefern, das zwar richtig, jedoch wissenschaftlich unhaltbar sind, an sich selbst in Auftrag gegeben hat. Gerade mal fünf Minuten hat es bedurft, um zu oben aufgeführter Schlussfolgerung zu kommen, womit diese Untersuchung sicherlich nicht nur zu den schnellsten, die zu einem Urteil gekommen ist, zählt, sondern auch noch für sich in Anspruch nehmen kann, dass die Formulierung des Ergebnisses länger als die eigentliche Forschungsarbeit gedauert hat.

Dass Putin auf Westprodukte verzichten kann, hat er nur der Ernährung seiner Bevölkerung zu verdanken – die Russen essen Suppen (sie mögen die sogar kalt), Pasteten, Fisch, Kraut sowie Fleisch, das mit Teig umhüllt ist. Wurst scheinen sie nicht zu mögen (des Umfangs wegen in Englisch). Glaubt man Wiki, müssen dem Durchschnittsrussen sieben Suppenarten geläufig sein. In diesen Gefilden können da nur die Suppenfreaks mithalten. Wer es schafft, von sich behaupten zu können, er habe in seinem Leben schon einmal eine Milchsuppe, Gemüsesuppe und Nudelsuppe zu sich genommen, gilt in Deutschland, in dem flüssigen Speisen ein Nischendasein beschieden ist (nur ein Restaurant in Halle hat ausschließlich Flüssiges im Angebot), bereits als Suppenkenner. In Russland wäre man ein absoluter Suppen-Laie.

Wenn die Deutschen nun anstelle der Russen auf liebgewonnene Produkte, die vielen im Augenblick unersetzbar erscheinen, verzichten müssten, hätten sie angesichts der Verlockung, sich in Krisenzeiten mit typisch deutschen Speisen und Esswaren wie Saumagen, Thüringer Rostbratwurst, Eisbein, Haxe, Kotelett, Schnitzel, Mettwurst, Leberwurst, Bockwurst, Salami, Boulette, Weißwurst, Königsberger Klops (sicherlich habe das eine oder andere schwer im Magen liegende Produkt vergessen) über Wasser zu halten, arge Probleme, zu Weihnachten noch so adrett wie im Sommer auszusehen. Fünf Monate bedeuten fünf Kilo mehr. Gäbe es eine Suppenkultur, wären es vielleicht nur zwei. Wie die überflüssigen Pfunde loswerden? Da die meisten jetzt schon ein Problem haben, ihr Gewicht zu reduzieren, bliebe nur die Hoffnung, die Europäer mögen uns Gemüse-, Obst- und Käsepakete schicken, um uns vor sich selbst bzw. der Ware, die, konsumiert man sie im Übermaß, den Geist vernebelt, zu schützen. (Sonst gelingt es einem Vegetarier wieder, die Deutschen in den Krieg zu schicken.)

Wenn der Botschafter Polens, dessen Bewohner sich rühmen, den Stolz gepachtet zu haben, in den Staaten sich dafür hergibt, auf Youtube die USA anzuflehen, polnische Äpfel ins Land zu lassen, braucht es einer Selbstbeschränkung der Deutschen nicht mehr. Der Kreml kann das ebenso gut. (Die hiesige Zeitung hat zu meinem Erstaunen schon letzte Woche ein düsteres Bild gezeichnet.) Sollte an der Nachricht RTts, Brüssel würde die Staaten Lateinamerikas auffordern, keine Produkte nach Russland zu liefern, etwas dran sein, würde das zeigen, wie engstirnig Europa zur Zeit agiert – statt sich zu freuen, dass Länder einspringen, die dadurch die Preise hochhalten, treiben die Kommissare diese zum Schaden aller in den Keller.

Eine gute Nachricht habe ich dennoch – ein Artikel des Independent lässt vermuten, dass nicht nur alte Potsdamer gegen den Wiederaufbau der Garnisonskirche sind. Das macht Hoffnung. Leider sieht es so aus, als sei das Projekt nicht mehr zu stoppen. Beschämend, dass viele der Bauten, die nach der Wiedervereinigung mit dem Ziel in Angriff genommen wurden, Identität zu stiften, Kirchen oder Schlösser sind. Die Hohenzollern hat man besonders ins Herz geschlossen. Selig die Zeiten, in denen die Kuppel auf dem Reichstag errichtet wurde. Davon sind wir weit entfernt. Statt Fortschritt und Utopien aufzuzeigen entsteht die alte Zeit neu. Möglichst originalgetreu. Einfallsloser geht es wirklich nicht mehr.

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