Bye bye Spanien, Bye bye Fußballhochkultur – hoch lebe der „Gladiatorenfußball“, der sich von dem, was die Kämpfer den Römern gezeigt haben, nur darin unterscheidet, dass niemand auf dem Feld sterben muss. Ausgerechnet in Brasilien, das aus dem vormals rohen Sport eine Kunstart gemacht hat, ist der Kraftfußball auf dem Vormarsch. Und ausgerechnet jene Fußballer, die den Krieg gewannen, indem sie Schlachten und Scharmützel vermieden, hat es getroffen. Sie haben das Spielfeld genutzt, um dem Gegner auszuweichen, ihn zu umgehen, ohne mit ihm in Kontakt zu geraten. Nie im Leben hätte ich mir vor der WM vorstellen können, dass Spaniens Systemfußballer, die sich das Prinzip zu eigen gemacht haben, den Ball so lange wie nötig in den eigenen Reihen zu halten, in der Gruppenphase ausscheiden könnten. Unterhaltung pur, zu sehen, wie sie ihre Gegner ins Leere haben laufen lassen. Leicht und locker hat das immer ausgesehen. Nur mit Kurzpässen haben sie das Leder minutenlang in den eigenen Reihen halten können. Das war so schön anzuschauen, dass ich bis vorgestern noch geglaubt habe, man müsse sie kopieren, um überhaupt eine Chance gegen sie zu haben. Dann kamen die Jungs aus dem Fitnessstudio, die statt Muskelpräparaten en masse Rindfleisch zu sich nehmen. (Für die Vegetarier unter den Fußballfans muss das Resultat noch schockierender gewesen sein. Reine „Karnivore“ haben jene, die ab und zu Fleisch essen, geschlagen. Ein Albtraum! Zudem verheerend fürs Klima. Wenn das Wetter nicht so schlecht wäre, würde spätestens ab morgen auch in Deutschland kein Grill mehr ausgehen.) Zu allem Überfluss sind die meisten auch noch tätowiert. Als habe der liebe Gott die Besatzung der „Pequod“, die gegen Moby-Dick versagt hatte, auferstehen lassen, um ihnen die Chance zu geben, die Schmach, das Ungetüm nicht zu Tran gekocht zu haben, auszumerzen. Sie haben nicht nur die Kühnheit, gegen eine Hochkultur ins Feld zu ziehen, sondern sind auch in der Lage, diese zu besiegen. Jetzt gilt es, die Kräfte zu sammeln, um in vier Jahren zurückschlagen zu können. Dieses Motto werden sich auch die Engländer auf ihren Union Jack schreiben müssen. Sie haben nun genug Zeit, herauszufinden, wie die Spieler ihre Angst, deren Auswirkungen noch viel schlimmer als die der angeblichen „German Angst“ sind (ich glaube, während des Spiels haben einige mit einer milden Form des Stockholm Syndroms zu kämpfen gehabt), los werden können. Regelmäßig übermannt diese sie, wenn sie ohne die Stars, die sie in ihren Klubs ständig nehmen sich haben, auflaufen müssen. Das ist die undankbarste Aufgabe, die ein Trainer, der, wenn keine WM oder EM ist, seine Spieler höchstens 20 Tage im Jahr unter seinen Fittichen hat, gestellt bekommen kann.
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