Arme Buchmesse, arme Schriftsteller – die Geschichten, die so gruselig und schaurig sind, dass sie nur jemand hat erfinden können, sind heute Realität, so dass den Gens de lettres eigentlich nichts anderes übrig bleibt, als über Menschen, denen Dinge widerfahren, die man sich vorstellen kann, zu schreiben. Natürlich gibt es Ausnahmen. Eine hat es sogar geschafft, prämiert zu werden – Seierstad erhält für ihren Roman über Breivik den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung 2018. Am Donnerstag wird er ihr überreicht. Ob die Skripals auch in einem Buch, vielleicht sogar in mehreren, literarisch verewigt werden, kann heute noch niemand sagen. Anders als bei Breivik, der zweifelsfrei als Täter überfuhrt wurde, werden wir wohl nie erfahren, wie die beiden vergiftet wurden, geschweige denn werden die Ermittler es schaffen, herauszufinden, wer die Täter beauftragt hat. Der Fall ist so komplex und besorgniserregend, dass Einfachheit halber die Briten die russische Regierung dafür verantwortlich machen – die Menschen fühlen sich sicherer, wenn ein Geheimdienst die Tat angeordnet haben soll. Statt Putin also zu bitten, an der Aufklärung mitzuwirken (das Nervengas wurde zu Sowjetzeiten produziert), hat May ihn mit dem Ziel, zu kaschieren, dass Typen, über die man so gut wie nichts weiß, ihr Unwesen treiben, als Schuldigen hingestellt. In diesem Fall hätten die Menschen allen Grund, sich zu sorgen. Wie ernst die Briten May nehmen, zeigt die Karikatur im Independent. (Wem das Scrollen bzw. Suchen nach ihr in der Galery – unter March 13 – zu lange dauert, kann Colonel Cassad nutzen. Die Krim als Blogger-Paradies – wer von dort bloggt, braucht sich um Urheberrechte nicht zu kümmern.) Hat May das Ultimatum, in dem sie die Russen bis heute Abend auffordert, sich über das Nervengas-Programm zu äußern, in der Hoffnung gestellt, keine Antwort zu erhalten (anderenfalls würde sie den Kreml als Auftraggeber betrachten)? Diese Unverschämtheit werden die Russen als Zeichen werten, dass sie gar nicht daran interessiert sei, den Fall aufzuklären. Würden die Russen reagieren, käme dies einem Schuldeingeständnis gleich. Der Westen hat es wieder einmal geschafft, Putin und Co. zu erniedrigen. Natürlich absichtlich. Dabei hätten sich May einen Bond-Film anzusehen brauchen, um auf den Gedanken zu kommen, dass finstere Leute, die völlig skrupellos und unberechenbar agieren, den Russen etwas in die Schuhe schieben könnten. Stattdessen spielt die Politik uns vor, wir würden in einer heilen Welt leben, die von fremden Mächten bedroht werde. Zeit für die Schriftsteller, Szenarien zu liefern, die uns zufriedenstellen, also glaubwürdig sind.
PS: Wie üblich die Links zur Buchmesse. Ich glaube, die Zeit, in der kein Autor mir mehr etwas sagt, ist nicht mehr fern. Vermutlich ist Zizek der diesjährige Highlight.
https://www.zdf.de/kultur/das-blaue-sofa
https://www.zdf.de/kultur/das-blaue-sofa/zizek-blaues-sofa-16-03-2018-100.html
https://www.zdf.de/assets/agenda-2018-bm-leipzig-100~original
https://www.mdr.de/kultur/buchmesse/index.html
https://www.mdr.de/kultur/buchmesse/events/buchmesse-termine-100.html
http://www.lvz.de/Thema/Specials/Leipziger-Buchmesse
http://www.lvz.de/Thema/Specials/Leipziger-Buchmesse/LVZ-Autorenarena/Abenteuer-Fussball-und-Gastland-Alle-Gaeste-am-Donnerstag