Ja zu Multikulti, aber nur in Berlin

Was ist von einer Entwicklung zu halten, die rückwärts zu laufen scheint? Eigentlich nichts, aber man weiß wenigstens, was einen erwartet, so dass man sich darauf einrichten kann, bspw. indem man sich über die positiven Aspekte totgeglaubter Herrschaftssysteme (wie bspw. Multikulti) freut. Im Falle Russlands, dessen Bevölkerung schon immer als besonders „nostalgiegefährdet“ gegolten hat, heißt das im Moment gerade, dass sich niemand mehr zu fürchten braucht, dort könne sich wieder ein System, welches unter großem Jubel des Westens Anfang der 90er für Tod erklärt wurde, herausbilden – wenn die Popikone, zu der japanischer Zeichner Poklonskaja gemacht haben, mit einem Bild des letzten Zaren am Siegestag, an dem, wenn ich recht informiert, Menschen, die sich im Kampf gegen Hitler hervorgetan bzw. schwer unter den Deutschen gelitten haben, gewürdigt werden sollen, posiert, sieht es ganz nach einem Sieg des Zarismus über den Kommunismus aus. (Hoffentlich lässt der Comic, der uns zeigt, wie sie sich in den Zarewitsch verliebt, nicht lange auf sich warten.) Zum Glück hat sich noch keiner gefunden, von dem die Russen meinen, sie müssten ihn zum Zaren machen. Was nicht ist, kann aber noch werden, zumal die Person nicht unbedingt ein Romanow sein muss, sondern eigentlich jeder, der es schafft, zur rechten Zeit als Heiliger verehrt zu werden, vom Volk gekrönt werden könnte. Naturgemäß sind die Deutschen da wesentlich pingeliger – hier könnte nur ein Hohenzoller Kaiser und ein Wittelsbacher König von Bayern werden. Richtig Sorgen müssten wir uns aber erst machen, wenn Merkel und Putin sich entschließen sollten, uns nicht mehr führen zu wollen. Erst diese Woche hat die Kanzlerin eine Kostprobe ihres kaiserlichen Führungsstils abgeben (sie regiert ja schließlich von Berlin aus) – als alle gefordert haben, sie müssen ein Machtwort sprechen, um die Sondierungsgespräche nicht platzen zu lassen, hat sie uns erklärt, dass sie nicht nur an ein gutes Ende glaube, sondern auch noch jeder Koalitionär seine Identität in die künftige Regierung einbringen könne. Royaler geht es wirklich nicht – die Frau, die vor 7 Jahre Multikulti für gescheitert erklärt hat, hat in dieser Woche ihre Bürger mit größter Selbstverständlichkeit darüber informiert, dass uns bald eine Multikulti-Regierung regieren wird. So sind sie nun mal – die echten und unechten Royalisten. Erst wird gehandelt, dann, wenn überhaupt, werden die Menschen informiert. Dass dieser Fall einer Ausnahme der Regel ist bestätigt sie nur. Wenn es ihr nun noch gelingt, ihre Regierung offiziell als Multikulti zu deklarieren, hat sie praktisch ausgesorgt. Dann lässt sich jeder Streit, da kulturell bedingt, als halb so schlimm abtun. Ich glaube, sie schafft auch dies.

PS: Ich dachte wirklich, dieser Blog hätte über Poklonskaya geschrieben. Nun muss ich ergründen, wie es dazu kommen konnte, dass in der dafür vorgesehene Kolumne Conchita Wurst abgehandelt wurde. Wenigstens kann ich noch mit einem Link aufwarten, aus denen man erfahren kann, was für ein Tamtam um sie damals gemacht wurde. Wen Putins Haltung zur Oktoberrevolution interessiert, der sollte den Artikel des New Yorkers lesen.

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