Ein müder Halle-Werbeslogan sowie der Ärger über alte Praktiken

In Düsseldorf würde vermutlich niemand auf die Idee kommen, herauszufinden, was außer dem Karneval man noch mit dem wesentlich größeren Köln teilen könnte, geschweige den würden Vertreter der Stadt verkünden, sich einer Veranstaltung, die regelmäßig mit großem Erfolg in der Nachbarstadt organisiert wird, anschließen zu wollen. Diese würden gleich ihres Posten enthoben sowie die Parteien, die diesen Plan unterstützten, abgewählt werden. Halle aber, das den ewigen Rivalen Leipzig nur während der Händelfestspiele, die immer im Sommer stattfinden, aus den Schlagzeilen drängen kann, ist nie in der komfortablen Situation gewesen, das Treiben des übermächtigen Nachbarn ignorieren zu können. Dessen scheinen sich nun auch Halles Kulturplaner bewusst geworden zu sein – sie versuche, meines Wissens zum ersten Mal, direkt von einem Kulturereignis, das seit 1991 im Rahmen der alljährlichen Buchmesse stattfindet, zu profitieren. „Leipzig liest“ heißt die Veranstaltung, und alleine schon die Anzahl der Veranstaltungsorte (350) und Lesungen (2500) zeigt, wie beliebt dieses Projekt bei den Leipzigern sowie den Messebesuchern ist. Klar, dass in Halle die Reihe mehrere Nummer kleiner sein wird: es gibt nur 17 Lesungen, jedoch hat man es geschafft, den meiner Einschätzung nach auf Platz 2 der Hierarchie der Schriftsteller stehenden Walser zu holen. Einen Wermutstropfen gibt es aber dennoch – statt „auch“ sowie einem Ausrufezeichen, das sich anschließt, liest Halle nur „mit“. Ein bisschen frecher hätte das Motto schon sein können, schließlich wollen die Organisatoren auch Aufmerksamkeit erheischen, die ihnen aber nicht zuteil werden wird, wenn sie sich als Mitmacher outen. Den Machern kann man nur wünschen, dass es in Halle vielen Leuten genauso wie mir ergeht – jedes Jahr nehme ich mir vor, zur Messe zu fahren. Geklappt hat es gerade ein einziges Mal, und das ist auch schon ewig her. Typen meines Schlages haben es nun wesentlich einfacher, eine Lesung zu besuchen. Trotzdem bin ich immer wieder erstaunt, dass viele Menschen zu Lesungen gehen. Das muss wohl auch an der der Art, wie ein Buch vorgestellt wird, liegen. Während es von jeder Platte Clips sowie von jedem Film einen Trailer im Internet gibt, muss ein Buch-Interessent mangels Leseproben im Netz weiterhin den Literaturkritikern vertrauen. Mir ist das erst wieder vor 14 Tagen, als ich versuchte, im Internet eine Probe aus Krachts Buch „Imperium“ aufzutreiben, klar geworden. Nirgends ließ sich diese finden. Bei Clips, die 10 Prozent eines Songs wiedergeben, sowie Trailern, die im Schnitt 2 Prozent des Films zeigen, sollte es kein Problem sein, von 256 Seiten 3 mittels Web der Allgemeinheit zugänglich zu machen. Nichts gegen die Kritiker und deren Einschätzungen, aber ich würde mir schon gerne ein eigenes Bild machen, was nicht heißt, dass ich auf deren Meinungen keinen Wert legen würde. Aber ich finde es schon ein wenig befremdlich, was für einen Aufschrei ein einzelner Kritiker, wenn er in einem angesehenen Magazin ein Buch verreißt, das seine Kollegen wunderbar finden, auslösen kann. Das spricht nicht gerade für die Zunft. Wind machen nennt man das wohl. Wenigstens einer kann die Kritik Diezs an Krachts Werk nachzuvollziehen (siehe Amazon-Link). Kracht liest übrigens auch in Leipzig. Es wird sicherlich voll werden, wenn die Veranstaltung nicht schon ausverkauft ist. Vielleicht stoße ich bis dahin noch auf einen vierseitigen Auszug im Netz. Es wäre schlimm, wenn ich mich nach dem Lesen darüber
ärgern müsste, mich nicht rechtzeitig um Karten gekümmert zu haben.

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Eine Antwort zu Ein müder Halle-Werbeslogan sowie der Ärger über alte Praktiken

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