Über die Berliner und die Täuschung

Ist er nicht beneidenswert, der Berliner? Er schafft es, sich von seiner eigenen Täuschung täuschen zu lassen. Das ist ungefähr so, als ob jemand an die Statistik, die er schön gefärbt hat, glauben würde. Oder ein Fälscher, der sein Werk nicht mehr vom Original unterscheiden kann. Leider wird die Welt auf jemanden, der meint, die echte Mona Lisa zu besitzen, vergeblich warten. Gefälscht werden nur Gemälde, die kaum jemand kennt, was sehr bedauerlich ist. Die Idee, ein Museum zu eröffnen, in dem man die großen Werke der Malerei gleich mehrfach finden kann, alle nebeneinander, versteht sich, ist sehr verlockend. Berlin wäre, wenn es nicht schon so viele Museen hätte, der ideale Ort für solch eine Ausstellung. Erst gestern haben die Berliner der Welt wieder gezeigt, dass sie großen Spezialisten in Puncto (Selbst)Täuschung sind. Nur penible, kleinliche, pedantische und besserwisserische Personen, die wegen ihre Strenge und Unnachgiebigkeit von ihrer Umwelt gefürchtet werden (wie eben auch dieser Blog), haben sich von den Bildern, die gestern im Fernsehen und im Netz zu sehen waren, nicht in die Irre leiten lassen. Es ist aber auch schwer, herauszufinden, dass etwas nicht stimmt. Das ist wie in einem Bilderrätsel, in das man Dinge hineingepackt hat, die nicht dazu gehören. Man muss schon lange suchen. Dem Blog fällt da ein Bild aus einem seiner vielen Französischlehrnhefte ein – da sind Gegenstände, die in ein altes Bild eingefügt wurden, zu erraten (Ordinateur z.B.). Lange Rede, kurzer Sinn. Gestern eröffneten die Berliner mit großen Pomp eine U-Bahnlinie, für deren Bau sie 25 Jahre gebraucht haben. Dass sich niemand an deren langen Bauzeit störte lag an einem Trick, den man bei Bau des BER wohl auch gerne zurückgegriffen hätte – ein alte Strecke, die jetzt Teil der neuen Linie ist, hat man der Bauzeit nicht dazugeschlagen. So wurden aus 25 Jahren 8 Jahre. Eine neue Bezeichnung hat dies ermöglicht. Die „Kanzlerbahn“ ist seit gestern eine richtige U-Bahn. Die Touristen und Berliner dürfen sich freuen. Zu Zeiten der DDR hat die Provinz immer neidisch auf deren Hauptstadt geschaut, wenn dort etwas neu eröffnet wurde. Da der Blog nur an den breiten Bahnsteigen Gefallen finden kann, rätselt er darüber, ob sich die Provinz der Hauptstadt oder die Hauptstadt der Provinz angepasst hat. Warum nicht eine Puzzle, dessen Steine nicht unbedingt zusammenpassen müssen, für die Haltestelle an der Museumsinsel? Mit der Nofretete und dem Altar an den Wänden und Decken? Stattdessen hat man sich für einen Sternenhimmel entschieden. Als ob es Tübke und das Bauernmuseum in Bad Frankenhausen nicht geben würde.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert