toi, toi, toi

“Rentner, wollt Ihr denn ewig leben”, dies hätte, wenn anstelle meiner Person der Alte Fritz einer Pensionärin, der, um sie zu kennen, natürlich auch mit ihr einen Französischkurs bei der Volkshochschule besucht haben muss, geantwortet, wenn diese ihm, als sie sich zufällig trafen, gesagt hätte, sie müsse jetzt aussetzen, da sie an einem Theaterprojekt, das sehr viel Zeit in Anspruch nehmen würde, teilnehme, und zwar als Schauspielerin mit noch 7 weiteren Rentnerinnen. Im Wissen, dass jede neue Aktivität, der sich ältere Bürger hingeben, ihr Leben verlängert – keiner würde noch etwas Neues tun, wenn dies anders wäre – würde Friedrich II. die Angst packen, er könne wegen der Renten, die länger zu zahlen sind, bald pleite sein. Wie gut, dass ich nicht der Alte Fritz bin, darum habe ich der Frau auch „toi, toi, toi“ für die Aufführung gewünscht, womit ich gezeigt habe, dass ich absolut vom Fach bin, denn dies gibt man den Schauspielern vor der Generalprobe auf den Weg. Dabei liegt mein letzter Theaterbesuch schon 9 Jahre zurück, zudem war es keine hiesige Aufführung, sondern eine im Swan Theatre in Stratford upon Avon, womit der eigentliche Grund, warum ich dahinging, schon fast geklärt wäre – es ging mir natürlich weniger um das Stück, vom Lear habe ich nicht viel mitbekommen, sondern um das Ambiente, denn das Theater soll, das verhieß die Beschreibung im Internet, sehr jenen ähneln, die in der Zeit Shakespeares üblich waren. Der einzige Unterschied zu der Zeit, als The Bard lebte, bestand, dass es weniger ausgelassen zuging, als ich zugegen war. In den Film, den die 8 Renterinnen für die Bühne adaptiert haben, bin ich aber nicht wegen des Kinos, sondern der guten Kritiken gegangen, was ich schwer bereute, fand ich den Spielfilm, der übrigens 8 Frauen heißt, trotz des Staraufgebotes französischer Schauspielerinnen – am besten ist es, die Stars aufzuzählen, die nicht mitmachen, nämlich Marceau, Binoche und Adjani (der Film kam 2002 in die Kinos) –   ziemlich langweilig. Eigentlich kann es mit den Pensionärinnen nur besser werden. Ich habe mir vorgenommen, nun auch mehr für die Kultur, natürlich in einem weitaus bescheideneren Rahmen, zu tun. Erst einmal werde ich versuchen, Christian Wolmars hervorragendes Buch „Engines of War“ – seit Wochen dümple ich auf Seite 27, Kapitel 2, in dem es um den  Krimkrieg bzw. den Bau einer Eisenbahn von Balaklava zur Front geht, deren Inbetriebnahme  erst die Einnahme Sewastopols ermöglichte, herum – weiterzulesen. Andere Kriege werden auch noch beleuchtet, so auch der 2. Weltkrieg, über den der Autor schreibt, dass dieser wesentlich länger gedauert hätte, wenn Hitler kein Auto-, sondern ein Eisenbahnnarr gewesen wäre. Das Buch ist wirklich sehr lesenswert. Falladas „Jeder stirbt für sich allein“ würde ich auch gerne lesen, jedoch schaffe ich es einfach nicht, mir dafür Zeit zu nehmen. Zum Glück bringt RBB am Dienstag eine Verfilmung. Ein kleiner Wehrmutstropfen bleibt trotzdem, denn meine Internetrecherchen haben bei mir das Gefühl aufkommen lassen, der Sender könnte den falschen Film ausgewählt haben – ausgerechnet die mondäne Knef und der Schönling Raddatz wurden mit den Hauptrollen, die beide im Arbeitermilieu spielen, betraut. Die Verfilmung mit Geschonneck scheint mir da näher am Buch sowie an der Wirklichkeit, die Geschichte hat sich wirklich zugetragen, zu liegen. Ich hätte auch nichts dagegen gehabt, wenn die dritte Verfilmung des Buches gezeigt worden wäre. Werner Peters, einer meiner Lieblingsschauspieler, macht da nämlich mit. Im Zuge der Informationssuche habe ich mitbekommen, dass er in Werlitzsch geboren wurde. Groß war meine Überraschung, als nach dem Klicken auf den Ort bei Wiki auf einmal die Seite über Wiedemar, ein Dorf ganz in der Nähe, erschien. Bis zur Wendezeit wies nichts darauf hin, dass dieses dörfische Milieu, das dörfischer nicht sein konnte, mal einen berühmten Schauspieler hervorgebracht haben könnte.  Heute ist der Ort ein beliebtes Ziel für mobile Rentner, die dem Schauspielern das Windowshopping vorziehen. Der Ortsteil Werlitzsch scheint vom Wandel verschont geblieben zu sein – während sich über einen Ortsteil, über den, je nach der Sicht der Dinge, die einen sagen würde, er sei idyllisch, während andere äußern würden, das müsse das Ende der Welt sein, etwas auf der Webseite des Ortes finden lässt, gibt es über Peters’ Geburtsort keine Informationen, was vermuten lässt, dass es dort noch abgeschiedener und naturnaher sein muss. Unter diesen Umständen wäre es sinnvoll, den berühmten Sohn mit einem Denkmal zu ehren. Keine Angst, liebe Werlitzscher, so groß wie das im Untertan muss es nicht sein. Es reicht völlig aus, wenn es zwei Nummern kleiner ist.

http://www.buehnen-halle.de/neues-theater/144-letzte-party-zimmer-frei-die-senoras.html

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