Mehr Kick als Rush (und das von den Russen)

Für Musikliebhaber, die Fußball hassen, ist die EM schon zu Ende, bevor sie richtig angefangen hat, denn der Zufall hat dafür gesorgt, dass der musikalische Höhepunkt dieses Turniers für heute anberaumt war. Wenn nichts dazwischenkommt, also die Engländer nicht vom Glück gebauchpinselt werden und die Russen es mit ihrer Griechenland-Persiflage aus dem Jahr 2004 nicht bis ins Finale schaffen, brauchen sie keinen weiteren Termin einzuplanen. 90 Minuten später hätte das auch für die Russen gegolten, wenn ihnen nicht kurz vor dem Ende der Ausgleich, mit dem überhaupt niemand mehr rechnete, gelungen wäre. Wer mit einer mehr als dürftigen Leistung gegen starke Engländer einen Punkt holt, kann eigentlich nur Europameister werden, was die Fans aus dem Mutterland des Fußball überhaupt nicht erfreuen würde – ausgerechnet mit ihrem „Kick and Rush“, einer Taktik, von der auf der Insel niemand mehr etwas wissen will, ja einige Leute dort sogar meinen, die hätte es nie gegeben, würden sie den Titel holen (was den Engländern nie vergönnt war). Fairerweise muss man den Russen bescheinigen, dass sie diese Spielweise nicht 1 und 1 kopiert haben. Heute haben wir nur den „Kick“ gesehen. Ob der „Rush“ noch kommt, weiß ich nicht, aber wer aus einer Torchance gleich eines macht, hat es nicht nötig, ständig nach vorne zu rennen. Vor 4 Jahren sah das ganz anders aus – da haben uns die Russen mit ihrem schnellen Spiel bestens unterhalten. Der Schock, gegen die Griechen auszuscheiden (der Blog berichtete), muss so immens gewesen sein, dass die Russen sich entschlossen haben, von ihnen zu lernen – so viel, dass statt des jüngsten Trainers der EM auch Rehagel auf der Bank der Sbornaja hätte sitzen können. Da ein guter Trainer von seinen Spielern nur das fordert, was sie zu leisten imstande sind, ist den Fußballfunktionären in höchster Not – eigentlich war die Teilnahme wegen vieler Niederlagen in der Qualifikation so gut wie ausgeschlossen – ein guter Griff geglückt. Sluzki ist ein Trainer, der sich nicht scheut, einen Fußball zu spielen, über den sich die halbe Welt lustig macht. Hauptsache ist Spieler kommen klar damit. Ein Team, bei dem Guardiola schon am ersten Tag das Handtuch werfen würde. Seit heute wissen wir auch, warum Capello gehen musste – er hat seinen Leuten ein Stil, den sie nicht beherrschen, aufoktroyiert. Vielleicht sieht es in zwei Jahren, wenn die WM im eigenen Land stattfindet, wieder ganz anders aus.

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