Historische Marke gesetzt

Er kam, sah und siegte – gleich mit seinem ersten Kommentar innerhalb 28 Stunden 4246 Leser – Stand von gestern um 22:57 Uhr – zu animieren, darauf zu antworten, ist absolut rekordverdächtig. Auf diese Zahl kommen viele Autoren erst nach 15 oder 20 Beiträgen. Schreiber, die grundsätzlich immer viel Post erhalten (und das selbst bei den langweiligsten Themen, darum wird mir deren Erfolg immer ein Rätsel bleiben), benötigen ungefähr 7 oder 8 Artikel. Lawrow, Russlands Außenminister, hat sie alle ausgestochen. Dass ausgerechnet ein Vertreter unseres neuen, alten Feindes, der in der Phase, als sich Europa und Russland vertrugen, notgedrungen die Grenzlinie mehr als tausend Kilometer nach Osten verschieben musste (nur die Tataren setzten sich noch schneller in diese Richtung ab), viele Menschen anregt, sich zu äußern, verblüfft mich. Warum stößt der Kommentar auf so viel Resonanz? Eine rationale Erklärung im Sinne, dass wir uns für etwas, was uns persönlich betreffen könnte, besonders stark interessieren, gibt es nicht. Die Ukraine ist für die Briten weit weg, auf der Krim hat kaum einer von ihnen Urlaub gemacht und um den Gaspreis brauchen sie sich am allerwenigsten zu sorgen, schließlich haben sie noch eigene Quelle. (Bis jetzt haben die Russen immer geliefert. Die würden sogar noch die Verträge erfüllen, wenn die NATO und das Riesenreich sich im Krieg befänden. Der Empörung wäre groß, würde Gazprom nach der Einnahme Moskaus die Versorgung einstellen. Das sei absolut kein Grund, uns im Kalten sitzen zu lassen, würde es heißen.)

Wenn sich wenigstens nur Leute, die davon überzeugt sind, Putin sei zu allem fähig, geäußert hätten. Dann ließe sich vermelden, vielen von denen seien Nostalgiker, die glauben, zur Zeit des Eisernen Vorhangs sei es im Westen am schönsten gewesen. Natürlich muss man nicht in der Zeit gelebt haben, um kein gutes Haar an den Russen zu lassen. Diese Phobie kann auch vererbt werden. Zu die Zeiten Breshnews hatten die meisten ja Angst vor dem Land. Dass heute nur noch die Hälfte die Russen fürchtet, liegt zum Teil auch an den hiesigen Politikern – die vermitteln den Eindruck, dass ihre Politik die Lage nur noch verschlimmern würde. Das ist aber keine Erklärung für die rege Diskussion. Einen Artikel Kerrys über das gleiche Thema würden weitaus weniger Leute kommentieren. Eine Erklärung Camerons, warum er einen begrenzten Krieg gegen einen Staat, dessen Regierung nicht gemocht wird, führen lässt, löst in der Regel auch keine 4000 Zuschriften aus. (Vielleicht schafft Merkel es, diese historische Marke zu knacken. Meines Wissens hat sie vor 16 Jahren zum letzten Mal einen Artikel veröffentlicht. Darin hat sie sich in der FAZ von Kohl distanziert.) Mit den Russen ist es anders. Sind die irgendwo auf eigene Faust in einen Konflikt involviert, ist ein Medienrummel sondergleichen vorprogrammiert. Dann wird auf allen Ebenen kräftig diskutiert und ausgeteilt. Sind wir zu sehr auf die Russen fixiert? Ich denke schon, dass wir bei denen alles genau beäugen. Und denen man wenigsten verzeihen. Zu den Amerikanern sind wir uns großzügiger. Die Russen hatten das Pech, ihre „Vergehen“ in Europa verübt zu haben. Amerika hat in Übersee sein Unsinn getrieben. Oder liegt es daran, dass wir das Gefühl haben, wir könnten in die Auseinandersetzung auf die eine oder andere Art hineingezogen werden?

PS: Chrissie Hynde bringt ihre erste Soloplatte heraus. Die Single klingt sehr vielversprechend.

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